Fingerübung mit einem sehr netten Auftragskiller

Sein Harry Hole macht seit „Koma“ (2013) Pause: Jo Nesbø, 55.
"Blood On Snow / Der Auftrag": Der neue Held ist ein Sensibelchen, das dichten will.

Olav ist ein guter Mensch. Dass er Auftragskiller ist, ändert daran nichts. Einmal musste Olav einen vierfachen Vater erschießen. Er hat deshalb sein Honorar heimlich der Witwe zukommen lassen. Er hat auch einer taubstummen Prostituierten geholfen, damit ihr Zuhälter sie in Ruhe lässt. Seine Mutter hat Olav immer "Sensibelchen" genannt, und wahrscheinlich wäre er Dichter geworden. Leider braucht er zu lange, um etwas aufzuschreiben. Schießen kann er besser. Olav stellt sich dann vor, er habe es mit einem "Stück" zu tun. Manchmal sagt er dem "Stück" noch, bevor er abdrückt, dass es nichts Persönliches sei, warum er jetzt gleich den Mord begehe.

Bei Corina denkt er nicht an ein "Stück". In sie verliebt er sich. Sie bewegt sich so schön katzenhaft. Olav soll sie expedieren – das ist der Fachjargon, Olav ist beruflich Expedient. (Er versendet "Stücke".) Corina ist die Frau vom Chef, dem Drogenboss. Sie hat ihren Mann betrogen. Nein, da spielt Olav nicht mit.

Sehr kalt

Der Norweger Jo Nesbø hat schon bewiesen, dass er keine Kultfigur braucht, um von der ersten Seite an zu fesseln. Keinen Harry Hole, das war vor einem Jahr im Kriminalroman "Der Sohn" mit dem neuen Kommissar Simon Kefas deutlich zu merken. Und genau das ist jetzt das Problem von Nesbos neuer Serie: "Der Sohn" war dermaßen großartig, dass man über "Blood On Snow / Der Auftrag" bloß sagt: Oh, eine Fingerübung! Sehr kalt ist es, mit viel blutroter Farbe im Schnee, sehr routiniert geht es zu, viele Haken werden geschlagen, aber nur einer, der allerletzte ist vielleicht etwas überraschend. Dachte denn jemand, die sogenannten wirklich Guten, die sind wirklich gut? Nein, die haben kein Mitleid, nein, die schenken bestimmt nichts her, sondern kassieren. Trotzdem will man nach der kurzen Lektüre wissen, ob es weitergeht in Oslo und wie es weitergeht. Aber das dauert, erst Ende Februar 2016 erscheint Band zwei "Das Versteck".

Jo Nesbø: „Blood On Snow / Der Auftrag“ Übersetzt von Günther Frauenlob. Ullstein Verlag. 192 Seiten. 13,40 Euro.

Kommentare