Filmkritiken der Woche: Ausgebeutete, Gentlemen und Ehetyrannen

Filmkritiken der Woche: Ausgebeutete, Gentlemen und Ehetyrannen
Der britische Regisseur Ken Loach gibt Einblick in die trostlose Arbeitswelt von Paketzustellern - und die weiteren Filmstarts (Von Susanne Lintl).

"Sorry We Missed You": Der ausgebeutete Mensch

Zeit ist Geld. Sie ist so knapp, dass Ricky nicht einmal Zeit für eine Pinkelpause bleibt. Unter dem Sitz seines Vans hat er stets eine leere Plastikflasche gebunkert. Man weiß ja nie: Ein Stau und schon ist die ganze Tagesplanung – und damit auch die verdiente Pause – im Eimer.

Selten war Ken Loach, der britische Linkshumanist und Meistererzähler vom unteren Ende des sozialen Spektrums, so voller Wut und Resignation wie in diesem Film über den Paketzusteller Ricky Turner. Mit seinen 83 Jahren ist Loach wohl zum Schluss gekommen, dass der Kapitalismus endgültig gesiegt hat, Dass er alles Gütige und Menschliche im Arbeitsleben ausradiert. Dass letztlich nur mehr eines zählt: der Profit.

Ricky Turner ist ein Familienvater, der nicht gerade vom Glück verwöhnt ist. Bei der Finanzkrise 2008 ging seine Hausbank pleite, das Geld für das eigene Häuschen war futsch. Übrig blieben Schulden, die Ricky und seine Frau, eine Altenpflegerin, nun abarbeiten müssen. In seiner Not lässt er sich darauf ein, Paketzusteller für einen großen Konzern zu werden. Alles läuft auf eigene Rechnung: der Van, den er kaufen muss, die Versicherung, allfällige Reparaturen. Immer mehr Pakete muss er Tag für Tag ausliefern – wie, das ist seine Sache. Wie ein gehetztes Tier jagt er von Adresse zu Adresse und muss sich mitunter noch beschimpfen lassen, wenn er verspätet liefert.

Eines Tages wird er von Halbstarken bei seinem Transporter beraubt und zusammengeschlagen. Im Spital eröffnet ihm sein Chef, dass er den zerstören Scanner im Wert von 1.000 Pfund aus eigener Tasche zahlen muss. Also fährt er trotz seiner Verletzungen am nächsten Tag wieder seine Tour.

Es ist Loachs wahrhafter Sozialrealismus, der noch lange nach dem Kinobesuch nachwirkt. Seine Kunst, auch in alle Härte und Trostlosigkeit noch fröhliche Momente einzubauen – wenn Ricky mit seiner Familie zusammen ist. Sie ist sein Rückhalt.

Jedenfalls schwört man sich eines: Nie wieder zu meckern, wenn an der Haustür ein Zettel mit „Wir haben Sie leider nicht angetroffen“ steckt. Der Bote hatte wirklich keine Zeit zu verlieren.

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