Filmkritik zu "Freud - Jenseits des Glaubens": Streitgespräch über Gott
Von Gabriele Flossmann
Zum Auftakt des fiktiven Historiendramas fährt die Kamera durch einen engen Raum. Er ist vollgerammelt mit Bücherregalen, Schachfiguren, Büsten und Schnitzereien. Darunter auch christliche Symbole wie eine Engelsfigur und eine kleine Statue der Heiligen Dymphna, der Schutzpatronin der Verrückten und Verlorenen.
Es ist das Zimmer von Sigmund Freud. Jenes Quartier in London, das der Begründer der Psychoanalyse nach seiner Flucht aus Wien bewohnte. Es wird zum zentralen Handlungsort des Films. Dort findet auch Verortung in der damaligen Weltgeschichte statt. Der Zeitpunkt der Handlung geht aus der Rede von Adolf Hitler hervor, die aus dem Radio ertönt. Zwei Tage davor sind die Nazis in Polen einmarschiert.
Der historische Rahmen der Handlung stimmt, und das Gespräch zwischen Sigmund Freud, dem Erfinder der Psychoanalyse und dem christlichen Apologeten C.S. Lewis, das im Zentrum des Films steht, könnte ungemein spannend sein – dreht es sich doch um Existenz oder Nichtexistenz Gottes. Bekannt ist allerdings nur, dass Freud kurz vor seinem Tod einen Oxford-Professor empfing. Ob es sich dabei wirklich um den Schriftsteller und Literaturwissenschaftler handelte, der ihm nun in diesem Film Paroli bietet, ist so wenig überliefert wie der Inhalt ihrer Diskussion.
Freud macht darin klar, dass er von Religionen nichts hält – auch nicht von der jüdischen. Die Antwort des Psychoanalytikers auf die Frage, warum Menschen glauben: „Weil sie nicht erwachsen sind, sondern wie Kinder Trost und Hilfe von einem Vater im Himmel erhoffen“.
Freuds Selbstverständnis als „gottloser Jude“ verdeutlichte sich auch in seinen Schriften. Er wollte diesen Widerspruch aushalten, obwohl ihn der Antisemitismus zeit seines Lebens wie ein übermächtiger Schatten begleitete. Auch als er mit ansehen musste, dass SS-Leute seine Bücher verbrannten, bekannte er sich zu seinem Judentum – aber nicht zur Religion.
Freuds verbaler Gegenspieler ist der frühere Atheist C. S. Lewis, der nach dem Tod seiner Frau eine tiefe christliche Überzeugung entwickelte. Die Idee für den Schlagabtausch stammt aus dem Theaterstück „Freud’s Last Session“ von Mark St. Germain, der auch das Drehbuch mitverfasste. Die zurückhaltende Inszenierung löst sich leider viel zu wenig von der theorielastigen Theatervorlage; weshalb auch Liv Lisa Fries als Freud-Tochter Anna kaum Entfaltungsmöglichkeiten hat. Filmisch befriedigt das kaum. Immerhin aber bietet das auf Augenhöhe geführte Rededuell, das sich zur gegenseitigen Analyse auswächst, Stoff zum Mitdenken.
Gute Figur machen die beiden Darsteller – Anthony Hopkins als Freud und Mathew Goode als C .S. Lewis.
INFO: IRL/GB/USA 2023. 110 Min. Von Matt Brown. Anthony Hopkins, Matthew Goode.
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