Filmkritik zu "Fack ju Göthe"-Spin-off: „Fack ju, ihr Grimm-Brüder!“

„Fack ju Göthe“-Spin-off: Jella Haase (re.) trifft auf Maria Happel in „Chantal im Märchenland“
Von Gabriele Flossmann
Schamlose Unterhaltung kann manchmal ein Grund zum Fremdschämen sein. In einem Horrormoment ließ der der deutsche Drehbuchautor und Regisseur Bora Dagtekin die jungen Heldinnen und Helden seines Films im Klassenzimmer mit einem Betäubungsmittelzäpfchen hantieren. Um es fachgerecht – also genau wie im Beipackzettel verordnet - zu verabreichen, entblößten sie das Hinterteil ihres Lehrers. Die Aktion geht schief. Wie? Das will man sich gar nicht mehr so genau vorstellen.
Das wegen seiner Vorliebe für Fäkalhumor berüchtigte deutsche Unterhaltungskino fiel jedenfalls mit dieser Szene zurück in eine längst überwunden geglaubte Phase. Zu sehen war die Szene in „Fack ju Göhte 3“. Der dritte Teil war zwar nicht mehr so erfolgreich Teil 1 und Teil 2 dieser Bildungskatastrophen-Komödienserie, erreichte aber im deutschsprachigen Raum immer noch ein Millionenpublikum. Aber wie sollte man, nachdem man für die Betäubungsmittelzäpfchen-Szene eh schon die Hose endgültig runtergelassen hatte, noch ein „Fack ju Göhte 4“ draufsetzen? Es war also höchste Zeit für ein erstes Spin-off.
Im Zentrum steht diesmal nicht mehr Elyas M'Barek als Aushilfslehrer Zeki Müller, sondern seine einstige Problemschülerin Chantal Ackermann. Gespielt wird sie wieder von Jella Haase, die inzwischen zu einer Art „Allzweckwaffe“ des deutschen Films geworden ist. Von Komödien über Tragödien bis hin zur bisher jüngsten Tatort- Ermittlerin. In diesem Spin-off ist der einst so begriffsstutzige Teenager mit Göhte-Literatur-Problemen herangereift und schlägt sich – nachdem sie die schulische Abschlussprüfung geschafft hat – als Influencerin, ohne nennenswerte Follower, durchs Internet-Leben.

Jella Haase ist "Chantal im Märchenland"
Nach wie vor haftet an ihr das Flair eines intellektuellen Underdogs - allerdings scheint ihr Herz inzwischen größer zu sein als ihre Make-up-Sammlung. Die liebenswürdig-chaotische Masche, mit der Jella Haase ihre Chantal zum Publikumsliebling gemacht hat, wird diesmal etwas zu routiniert abgespult um immer noch als naiv und charmant durchzugehen. Nachdem sie gemeinsam mit ihrer besten Freundin Zeynep in ein Zauberreich(?) der Fantasie(??) katapultiert wird, erzählt Chantal altgekannte Märchen neu. Da haben die Prinzen nichts mehr zu melden, wenn sie auf Brautschau gehen und von MeToo (noch) nichts gehört haben. „Fack ju, ihr Grimm-Brüder!“ könnte man dazu sagen. Chantal räumt mit reaktionären Märchenklischees auf, kämpft gegen Flüche, tyrannische Könige - und vor allem gegen geschlechtertypische Vorurteile. Dabei lernt sie den Wert ihrer Freundschaft mit Zeynep kennen. Nach dem Motto: Frauen sollen/müssen zusammenhalten. Daraus ergeben sich amüsante Momente, durchwachsen mit eher flauen Gags, die man mit Popcorn-Kaugeräuschen gut überbrücken kann.
INFO: D 2024. 123 Min. Von Bora Dagtekin. Mit Jella Haase, Gizem Emre.
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