Streamer sollen Austro-Film aus der Patsche helfen - wie viel kann das bringen?

Die heimische Filmförderung hat spätestens seit Mai ein Finanzierungsproblem. Nachdem die Vorgängerregierung 2023 noch ein dem Sinn nach ungedeckeltes Filmanreizmodell eingerichtet hatte, krempelte der neue Kulturminister Andreas Babler (SPÖ) angesichts der Budgetkrise zumindest die Kinofilmförderung kräftig um – und kappte die Förderschiene ÖFI+ um 22 Millionen Euro – von 37,5 auf 15,5 Millionen Euro.
Nach dem Aufschrei aus der Branche veranstaltete Babler im Juni einen Runden Tisch im Kulturministerium – danach verkündete er, dass eine Arbeitsgruppe aus Ministeriums- und Branchenvertretern eingerichtet werde. Am Mittwoch tagte sie zum ersten Mal. Die Ausgangssituation: Babler setzt auf die selektive Filmförderung, er will die Gelder aus der ohnehin schon geschrumpften ÖFI+-Standortförderung ins selektive Budget des Österreichischen Filminstituts (ÖFI) umschichten. Für mehr finanziellen Spielraum soll ab 2027 eine „Investitionsverpflichtung“ für Streamer sorgen – wie Babler schon im Mai tönte.
Tax Credit vom Tisch
Die Filmwirtschaft wiederum warb relativ einhellig um eine Umwandlung von ÖFI+ in einen Tax Credit, also automatische Steuerrückzahlungen nach internationalem Vorbild. Im Rahmen des ersten Arbeitsgruppentreffens im ÖFI erteilte das Finanzministerium (BMF) einem Tax Credit allerdings eine klare Absage, wie der KURIER erfuhr. Auf Nachfrage begründet das BMF dies so: „Ein Tax-Credit-System würde eine direkte Belastung des Bundeshaushaltes bedeuten. Solche Maßnahmen sind vor dem Hintergrund des gemeinsamen Regierungsziels, das ÜD-Verfahren noch in dieser Legislaturperiode verlassen zu können, auf Sicht nicht realisierbar.“
Übersetzt heißt dies: Im Lichte des EU-Defizitverfahrens will man sich keine Einnahmenreduzierung durch Steuergutschriften leisten, die noch dazu andere Wirtschaftsbereiche auf den Plan rufen könnten. Eine Erhöhung der Einnahmen klingt da fürs BMF naturgemäß verlockender.

Finanzminister Markus Marterbauer und Vizekanzler Andreas Babler (beide SPÖ) stellen Weichen.
Zweckgewidmet - und schon ab Mitte 2026?
Und hier kommen die Streamingabgaben ins Spiel. Die Arbeitsgruppe verständigte sich laut Ministeriumsaussendung auf die Ausarbeitung einer „Investment-Obligation“ für Streamingdienste, „kombiniert mit einem Beitrag (Levy) in Österreich“. Die Gelder sollen für die heimische Filmförderung zweckgewidmet werden, wie das BMF in der Aussendung anmerkte: „Die Umsetzung soll im Kern die budgetäre Eigenständigkeit der Branche unterstützen.“
Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Obmann des Fachverbands der Film- und Musikwirtschaft in der WKO und Teilnehmer der Arbeitsgruppe, begrüßt - ebenfalls laut Ministeriumsaussendung - insbesondere, „dass eine solche gesetzliche Regelung bereits in der zweiten Jahreshälfte 2026 wirksam werden könnte.“ Im Gespräch mit dem KURIER erklärt er: „Das ist „schneller, als wir gerechnet hätten.“ Allerdings gelte dieser Zeithorizont für die Abgabe (Levy). Die Investitionsverpflichtung – also direkte Investitionen in österreichische Filmprojekte – sei essenzieller Bestandteil der geplanten Lösung, aber komplexer in der Umsetzung.
Für diesen Teil wird man sich auf langwierige Verhandlungen einstellen können. Erste Gespräche mit Streaming-Plattformen, TV-Anbietern und weiteren Stakeholdern werden vom Kulturministerium für Anfang Herbst avisiert. Diese sollen in den nächsten Termin der Arbeitsgruppe im Oktober einfließen. Dabei sollen auch die Details einer legistischen Umsetzung erarbeitet werden.
Babler freut sich via Aussendung über die „erste Einigung“, somit könne „eine neue Finanzierungsstruktur für die Branche erschlossen werden. Damit orientieren wir uns an anderen großen Kulturnationen wie Frankreich.“ (siehe weiter unten)
Offen bleibt, ob die Einnahmen nur heimischen Kinofilmen zugutekommen sollen, oder auch die Förderschiene FISA+ (TV, Streaming, internationale Serviceproduktionen) aufgepäppelt werden soll – denn hier steht der Budgetrahmen für 2026 bei 54 Mio. Euro, während etwa im Vorjahr mehr als 90 Mio. Euro abgerufen wurden. Dazu – und zu anderen Detailfragen – hieß es aus Finanz- und Kulturministerium: „Wir befinden uns in Ausarbeitung und bitten um Verständnis, dass wir hierzu keine weitere Auskunft geben können.“
Wie viel kann eine Streamingabgabe bringen?
Die rechtliche Grundlage für die geplante Investment Obligation bietet die EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (AVMD), die es Mitgliedstaaten erlaubt, Streamingdienste zu Investitionen in europäische Produktionen zu verpflichten. In 16 EU-Ländern, darunter Frankreich, Dänemark, Spanien und Italien, kommen solche Finanzierungsinstrumente zum Einsatz. Frankreich wird mit 25 Prozent, die man den Streamern abverlangt, oft als Vorbild genannt – aber weit nicht alle Staaten konnten so hohe Sätze verwirklichen. Am anderen Ende der Skala steht Deutschland, das bisher keine Investitionsverpflichtung auf den Boden brachte. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer startete im Juli einen neuen Anlauf, er wolle mit den Konzernen auch über freiwillige Selbstverpflichtungen sprechen.
Die österreichische Bundesregierung bekennt sich im Regierungsprogramm zur Umsetzung der EU-Richtlinie. Bei allen Fallstricken, die bei kommenden Verhandlungen lauern – wie viel Potenzial haben solche Streamingabgaben ?
In einem Positionspapier vom Mai, das mehrere Branchenverbände (Produktion, Regie) und der WKO-Fachverband für Film und Musikwirtschaft unterzeichneten, wurde eine Investment Obligation von 18 Prozent vorgeschlagen – die jährlichen Effekte wurden dabei auf 90 Mio. Euro geschätzt. Die Abgabe (Levy) setzte man mit 7 Prozent an, was bei geschätzten Umsätzen von knapp 600 Mio. Euro (u. a. Streamingdienste, österreichische Werbefenster digitaler TV-Anbieter) mit jährlich mehr als 40 Mio. Euro zu Buche schlagen könnte.
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