Filmfestspiele Venedig mit "Everest" gestartet
Das letzte Wort hat der Berg", heißt es in "Everest", als entgegen der Wettervorhersage plötzlich ein Sturm aufzieht. Von menschlichen Fehleinschätzungen und unberechenbarer Naturgewalt auf dem höchsten Berg der Welt erzählt der isländische Regisseur Baltasar Kormakur in seinem Bergsteigerdrama, das am Mittwochabend die 72. Filmfestspiele von Venedig eröffnete.
Wahre Geschichte
Die tragische Klettersaison 1996, bei der ein Wetterumschwung zwei Expeditionen beim Abstieg vom Gipfel des Mount Everest überraschte und acht Bergsteigern das Leben kostete, liegen der wuchtigen 3D-Produktion zugrunde. Sich der Dramatik der wahren Geschichte bewusst, beschönigt oder sentimentalisiert Kormakur ("Contraband") nichts, zeichnet bedacht, historisch präzise und doch emotional die Tragödie nach und führt eindrücklich die gefährliche Kommerzialisierung des Everest vor Augen.
Augenzeugenberichte
"Ich wollte die Geschichte eines Ensembles erzählen", erklärte Kormakur bei der Pressekonferenz im Vorfeld der Uraufführung am Mittwoch seinen Ansatz, mitunter auch die Geschehnisse im Basecamp bzw. in der zurückgelassenen Heimat zu erzählen. "Der Großteil der Aufzeichnungen, die es über dieses Ereignis gibt, sind Augenzeugenberichte aus jeweils nur einer Perspektive. Wir haben versucht, möglichst viel über möglichst viele der Protagonisten zu erfahren."
Dazu gehöre auch, vermeintliche Fehler und Schattenseiten zu zeigen, so Kormakur. "Das macht die Figuren nur menschlich, und unseren Film so real und wahrhaftig wie möglich." Seinen Schauspielern hat er dafür einiges abverlangt, wurde doch kaum mit Green Screen gearbeitet und stattdessen in körperlich schwer erträglichen Höhen und Temperaturen am Fuße des Everest in Nepal und in den Dolomiten gedreht. "Natürlich können wir dieses Erlebnis nicht eins zu eins rekreieren, nicht tatsächlich den Mount Everest besteigen", meinte Josh Brolin. "Aber der Ansatz war schon der, so viel Unbehagen und Angst wie möglich in uns zu erzeugen." Allein der Dreh in Val Senales sei "eine isolierende Erfahrung" gewesen, bei der manch "kleine, nein große Persönlichkeiten" aneinandergerieten. "Es gab Tage, da wollten Jake und ich uns nicht sehen."
21 Filme im Wettbewerb
Einen Preis in Venedig gibt es für all den Einsatz jedoch nicht: "Everest" läuft beim Festival nämlich außer Konkurrenz. Im Hauptwettbewerb konkurrieren 21 Beiträge bis 12. September um den Goldenen Löwen. Eine klare Vorstellung von dem, was ihn erwartet, hat der diesjährige Jurypräsident Alfonso Cuaron nicht. "Das wäre keine gesunde Herangehensweise", meinte der mexikanische Regisseur ("Gravity") im Vorfeld der Eröffnung. Er wolle vielmehr aufgeschlossen an die Sache herangehen, auf "Vielfalt an Ideen, Ausdrucksformen und diverse Facetten des Kinos" achten.
INFO: www.labiennale.org
Im Wettbewerb des ältesten Filmfestivals der Welt konkurrieren bis 12. September insgesamt 21 Beiträge um den Hauptpreis, den Goldenen Löwen. Um die Jury unter dem Vorsitz des Oscar-gekrönten mexikanischen Regisseurs Alfonso Cuaron ("Gravity") buhlen etwa der Brite Tom Hooper mit dem Transsexuellen-Drama "The Danish Girl" oder der Italiener Luca Guadagnino mit seinem "Swimming Pool"-Remake "A Bigger Splash". Österreichische Beiträge sind dieses Jahr nicht im Wettbewerb vertreten, dafür wird Andreas Horvaths Schauspielerporträt "Helmut Berger, actor" in einer Dokumentarfilmschiene gezeigt.
Insgesamt setzen die Organisatoren auf eine ausgewogene Mischung aus Meistern des internationalen Films wie Marco Bellocchio, Amos Gitai und Aleksandr Sokurov sowie Regiedebütanten.
Entgegen der Ankündigungen wird US-Regisseur Martin Scorsese (72) seinen neuen starbesetzten Kurzfilm "The Audition" doch nicht in Venedig zeigen. Die Produktionsfirma habe den Beitrag wegen unerwarteter technischer Probleme nicht rechtzeitig nach Venedig bringen können.
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