Harun Farocki: Er war der Wegweiser in der Bilderflut

Harun Farocki: Er war der Wegweiser in der Bilderflut
Der Künstler, der Filmdokumente auf erhellende Weise verknüpfte, starb mit 70 Jahren.

Seine Hand dreht das Video vor und zurück, sein Blick sucht den Bildschirm ab, bemerkt etwas, schaut nochmal. Für die Installation „Schnittstelle“ – sie ist derzeit im Salzburger Museum der Moderne (MdM) zu sehen – filmte sich Harun Farocki 1995 selbst bei der Arbeit: Der Regisseur, Autor und Künstler war ein unermüdlicher Bildsucher und Bilddeuter.

Essays aus Bildern

Die „gefundenen“ Materialien – Aufzeichnungen von Überwachungskameras und Computerspiele ebenso wie Gemälde – verspann Farocki zu erhellenden Essays, die die Rolle von technisch erzeugten Bildern in unserer Kultur kritisch zerpflückten.

Im Film „Bilder der Welt“ (1988) dokumentierte Farocki die „Blindheit“ US-amerikanischer Bildauswerter, die in Luftaufnahmen von 1944 das KZ Auschwitz „übersahen“. Die Annäherung zwischen „echtem Krieg“ und Computerspielen, die im Golfkrieg 1991 offensichtlich wurde, griff Farocki u. a. in der Serie „Auge/Maschine“ auf; das Thema der Überwachung taucht u. a. in Werken wie „Ich glaubte, Gefangene zu sehen“ (2000) auf.

Die Entscheidung, solche Arbeiten zunehmend in Form von Video-Installationen in Museen als im TV oder Kino zu zeigen, traf Farocki in den 1990ern – unter anderem wegen der „unmittelbareren Rückmeldungen“, sagt MdM-Direktorin Sabine Breitwieser, die 2011 eine Werkschau Farockis im New Yorker MoMA ausrichtete.
Dennoch blieb der 1944 in Nový Jicin (heute Tschechien) geborene Farocki, der seit 1966 mehr als 100 Arbeiten für TV und Leinwand drehte, der Filmwelt verbunden: Unter anderem war er Co-Drehbuchautor von Regisseur Christian Petzold, dessen neuer Film Phoenix“ – bei dem Farocki mitwirkte – im Herbst in die Kinos kommt. Bis zuletzt hatte der Künstler an neuen Projekten gearbeitet. Harun Farocki wurde 70 Jahre alt.

"Die Kunstwelt verliert mit Farocki einen Protagonisten, dem es in unverwechselbarer Weise gelang, über enge disziplinäre Grenzen hinweg Kunst zu produzieren und dabei stets politische Haltung zu zeigen", heißt es in einem Statement der Akademie der Bildenden Künste Wien, an der Farocki ab 2004 Gastprofessor und von 2006 bis 2011 ordentlicher Professor war. Farocki habe durch seine Lehrtätigkeit an der Akademie den Bereich Kunst und Film im Institut für bildende Kunst etabliert und somit wesentlich zur Erweiterung des Studienangebots beigetragen.

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