Glitschi-Schleim und Avocadokerne fürs Theater

Starkes Trio: Nicola Schössler, Nina Horvath, Anna Franziska Srna bewältigen den Roche-Text über Sex und Körperausscheidungen ohne Peinlichkeiten
Kritik: Charlotte Roches "Feuchtgebiete" sind nach dem Kinofilm nun auch in Wien auf der Bühne zu sehen.

Charlotte Roches Bestseller „Feuchtgebiete“ hat nun auch den Weg auf eine österreichische Theaterbühne gefunden. Fünf Jahre nach dem Erscheinen des skandalumwitterten Romans darf die Frage gestellt werden, warum die Geschichte rund um eine sexuell und hygienisch unangepasste junge Frau noch ein Fall fürs Theater ist.

Die Inszenierung von Angelika Zacek für die Wiener Garage X verzichtet, anders als die Kino-Verfilmung, auf eine explizite Bebilderung der „Muschi-Hygiene-Selbstexperimente“ jener Helen Memel, die nach einer missglückten Intimrasur im Krankenhaus liegt und diesen Unfall dazu nützen will, ihre geschiedenen Eltern wieder zusammenzubringen.

Die sattsam diskutierten Bilder von Analfissur oder eingeführten Avocadokernen entstehen beim Zuschauer im Kopf. In Live-Videos werden die sexuellen Körpererfahrungen der 18-Jährigen bloß angedeutet. Bilder von Vagina-ähnlichen Früchten und Werbevideos für Damenrasierer machen schmunzeln.

Helen mal Drei

Nina Horvath, Nicola Schössler und Anna Franziska Srna teilen sich den Monolog und somit die Figur der Helen. Sie tragen Perücken in Roche-Schwarz und agieren von exaltiert-lasziv bis schüchtern-beschämt. Freilich werden hier auch Beine gespreizt und Kleidungsstücke vom Leib gerissen. Man verstreut Pflegeprodukte auf dem Boden und wälzt sich in verschüttetem Joghurt, das für den „Glitschi-Schleim“ stehen soll. Vollkommene Nacktheit wird jedoch vermieden und die Grenze zur Peinlichkeit nie mutwillig überschritten. Mit rotem Sirup getränkte Tampons bilden da schon den Ekel-Höhepunkt.

Der Gehalt der feministischen und konsumkritischen Botschaft des Romans wird allerdings auch hier nicht erhöht. Da hilft auch die Versteigerung von „Muschi-Klatsch-Bildern“ am Ende des 70-minütigen Theaterabends nicht weiter. Dabei wollte man, wie im Ankündigungstext vermerkt ist, den Text gerade auf das Gelingen der Kritik an der „allgegenwärtigen kapitalistischen Zurichtung der Frauen zum makellosen […] Objekt“ untersuchen.

Entskandalisierung

Warum diese „ Feuchtgebiete“-Version dennoch sehenswert ist? Der Roman wird als Textfläche genutzt, ohne die einzelnen Handlungselemente als gespielte Szenen umzusetzen. Das funktioniert erstaunlich gut. Was vor allem dem hohen Tempo und dem bemerkenswerten Timing der Schauspielerinnen geschuldet ist, die für kurzweilige Unterhaltung sorgen.

Fünf Jahre später gibt es wegen Duschkopf-Masturbation und „Muschi-Parfüm“ keine „Skandal“-Rufe, höchstens Zwischenapplaus. Somit kann man diese Inszenierung auch als Entskandalisierung betrachten. Und die ist tatsächlich gelungen.

KURIER-Wertung:

Termine: 22., 23., 30. November 2013, 1., 7., 13., 14., 20., 21. Dezember 2013, 24., 25., 29., 30. Jänner 2014, jeweils 20:00 Uhr; Im Anschluss an die Vorstellung am 13. Dezember findet ein Publikumsgespräch stattwww.garage-x.at

Glitschi-Schleim und Avocadokerne fürs Theater

Glitschi-Schleim und Avocadokerne fürs Theater

Glitschi-Schleim und Avocadokerne fürs Theater

Glitschi-Schleim und Avocadokerne fürs Theater

Glitschi-Schleim und Avocadokerne fürs Theater

Glitschi-Schleim und Avocadokerne fürs Theater

Glitschi-Schleim und Avocadokerne fürs Theater

Kommentare