Festredner Markaris eröffnete Buch Wien
In schwierigen Zeiten, hieß früher die Regel, werden mehr Bücher gekauft und gelesen. Das ist nicht mehr so.
Der Buchhandel in Österreich muss heuer ein Umsatzminus von 4,8 Prozent gegenüber dem (guten) Vorjahr hinnehmen. Am schlimmsten traf es die Sachbücher: minus 8,7 Prozent.
In Griechenland ging der Umsatz seit Beginn der Krise gar um 45 Prozent zurück.
Über Bäume
Das ist sozusagen die Ausgangsposition für die Buch Wien, die am Mittwochabend mit einer Rede des zurzeit berühmtesten griechischen Schriftsteller eröffnet wurde.
Petros Markaris ist mit seinem Athener Kommissar Kostas Charitos zum - wütenden, verzweifelten - Sprachrohr seiner Heimat geworden. Der Polizist ist schon so weit, dass er Verständnis hat, wenn Kollegen im Rotlichtmileu Schutzgeld erpressen, um dann später, in der 500-Euro-Rente, von den Ersparnissen leben zu können.
Der 74-jährige Markaris, der in Wien studiert hatte, bedauerte - in Anlehnung an Brecht - die finsteren Zeiten, in denen es in Griechenland keine lachenden jungen Leute mehr gebe und es fast schon ein Verbrechen sei, über Bäume und anderes Schönes zu reden.
Bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 43 Prozent.
Bei einer Selbstmordrate, die um 25 Prozent gestiegen ist.
Viele Krisen habe Griechenland erlebt. Den Staatsbankrott 1893, die Kleinasien-Krise 1922, die deutsche Besatzung 1940, den anschließenden Bürgerkrieg -
"aber in all diesen Krisen hatte das Land eine Perspektive, einen Schimmer Hoffnung. Immer sagten die Leute, in einigen Jahren werde es ihnen besser gehen. Jetzt ist die Krise ohne Perspektive. Ohne sichtbare Hoffnung. Das nährt die Mutlosigkeit und die Wut".
Er zweifle nicht, dass die große Mehrheit der Bürger für die EU-Mitgliedschaft und für den Euro sei. Aber es brauche dringend in Griechenland die öffentliche Diskussion, was man falsch gemacht habe - mit Hilfe der Künstler, die Ausmaß und Folgen allerdings selbst erst begreifen müssen.
Befreiung
Seine Landsleute mögen nicht nur den Statements der Politiker und den Nachrichten Gehör schenken, sondern das Bedürfnis empfinden, in der Literatur Zuflucht zu suchen.
Wie in den 1950er Jahren, als "Armut auf hohem literarischen und künstlerischen Niveau" herrschte.
"Weil Literatur eine Art Befreiung ist. Nicht unbedingt von den Sorgen des Alltags, wohl aber von dem Dauerdruck, der auf jedem Einzelnen lastet."
Ein zweites Mal erinnerte Petros Markaris in seiner Rede an Brecht: "Selbst die Sintflut / Dauerte nicht ewig ..." Darum gehe es: ums Überleben, "um länger zu dauern als die Sintflut".
Heine zitierte er abschließend. Denn viele Griechen zitieren ihn heute, ohne zu wissen, dass es Heine ist: "Denke ich an Griechenland in der Nacht / dann bin ich um den Schlaf gebracht."
Das, so Markaris, zeige doch immerhin, dass Literatur alle Zeiten überdauere, sogar die finstersten.
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