Ferdinand von Schirach: "Terror“

Der deutsche Schriftsteller Ferdinand von Schirach lässt das Publikum urteilen.
Das Gerichtsdrama "Terror" stellt eine philosophische Frage.

Im Düsseldorfer Schauspielhaus gab es bisher zehn Aufführungen und in jeder einen Freispruch für den Eurofighter-Piloten. Wobei das Publikum immer recht knapp entschied. Im Deutschen Theater Berlin setzte sich der Staatsanwalt in einem von sieben Prozessen durch, und der Richter verkündete einen Schuldspruch. Zurzeit steht man bei 59,4 Prozent Freisprüchen.

Kleineres Übel

"Terror", das Theaterstück des Strafverteidigers und Schriftstellers Ferdinand von Schirach, ist ein nachgespielter Prozess, die Zuschauer sitzen auf der Geschworenenbank.

19 Bühnen haben " Terror" auf dem Spielplan. "Das Stück der Stunde",schrieb ein Theaterkritiker. Ein anderer: "Es raubt einem den letzten Nerv, das ist der Trick."
"Terror" funktioniert auch als Buch, das in Kürze im Münchner Piper Verlag erscheint. Ferdinand von Schirach modernisiert aus aktuellen Gründen eine ewige philosophische Frage. Angeklagt ist der Bundeswehr-Major Lars Koch.

Ein Lufthansa-Airbus von Berlin nach München ist in die Gewalt von Terroristen geraten. An Bord sind 164 Menschen. Das Flugzeug nimmt Kurs auf die Allianz Arena, wo Deutschland gegen England Fußball spielt. Das Stadion ist mit 70.000 Zuschauern voll.

Die Regierung verhandelt mit den Terroristen, die Zeit läuft und läuft – im Eurofighter wartet Major Koch nicht mehr länger auf ein Wunder, sondern entscheidet im Alleingang und schießt die Lufthansa-Maschine ab. 164-facher Mord?

Darf größeres Unheil durch ein objektiv kleineres Übel verhindert werden? Ferdinand von Schirach ("Es ist keine perfekte Welt, in der wir leben, aber sie ist besser als in den Jahrhunderten davor") wird darauf nicht antworten. Er will "nur", dass sich die Zuschauer bzw. Leser Gedanken machen, wer sie sind und wie sie sich das Leben in Zukunft vorstellen.

Man kann dem Staatsanwalt folgen: Die Passagiere wurden getötet, ihre Würde, ihre unveräußerlichen Rechte, ihr Menschsein wurde missachtet. Menschen sind keine Gegenstände, ihr Leben ist nicht in Zahlen zu messen. Oder der Verteidigung: Es wäre falsch, Lars Koch zu verurteilen, weil unser Recht nicht in der Lage ist, jedes moralische Problem widerspruchsfrei zu lösen.

Weiche umstellen

Die Philosophie spricht vom "Trolley-Problem". Die Varianten sind vielfältig, meist geht es bei der Fragestellung um einen Güterwaggon, der talwärts rast. Drei Personen sind auf den Schienen festgebunden. Man kann sie retten, wenn man eine Weiche umstellt. Dann aber würde auf dem anderen Gleis ein Arbeiter sterben.

Drei oder einer? Ein Dilemma, dem man entgehen kann, indem man nicht antwortet, weil die Frage doch bloß dem Gehirn eines Philosophen bzw. Juristen bzw. Schirach entsprungen ist. Noch kann man die Antwort verweigern.

Info: Ferdinand von Schirach: „Terror“. Ein Theaterstück und eine Rede. Piper Verlag. 176 Seiten. 16,60 Euro. Erscheint am 7. Dezember.

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