Feminismus und Diversität prägen das Popfest in der Wiener Arena
Mit „Feminismus, künstlerische Konsequenz und Diversität“ beschreiben Herwig „Fuzzman“ Zamernik und Esra Özmen (EsRap) den roten Faden des Programms, das sie als Kuratoren für das heurige Popfest Wien zusammengestellt haben. Unter den fast 40 Acts, die man dabei bei freiem Eintritt hören und sehen kann, sind Mavi Phoenix, Pauls Jets, Buntspecht, Elektro Guzzi, Eli Preiss, Dacid Go8lin und Yugo.
Begleitet wird das Popfest von umfangreichen Corona-Maßnahmen. Eine davon ist die Übersiedelung vom Karlsplatz in die Arena, wo der Eintritt lückenlos kontrolliert werden kann. Erforderlich ist ein 3-G-Nachweis und eine Registrierung am Eingang. Bespielt werden die Open-Air-Bühne und die kleine Halle, in der eine Maske getragen werden muss. Einlass ist auf First-Come-First-Serve-Basis: Ist die maximale Zuschauerzahl von 3000 Leuten erreicht, wird keiner mehr eingelassen, bis jemand rausgegangen ist.
Die Details zu den Acts und Beginnzeiten gibt es unter popfest.at. Im KURIER-Interview erzählt Herwig Zamernik, wie er und Esra Özmen das Programm unter den verschärften Corona-Bedingungen zusammengestellt haben.
Ihr Popfest-Programm wurde wegen der Ausrichtung auf Feminismus und Diversität vielfach als mutig beschrieben. Wie sind Sie bei der Zusammenstellung vorgegangen?
Herwig Zamernik: 2021 wäre es lächerlich, wenn man nicht feministisch, nicht antirassistisch oder nicht dafür ist, dass es gender-mäßig keine Begrenzungen und keine Beklemmungen gibt. Insofern empfinde ich unser Programm nicht als mutig, sondern als normal. Diese Dinge haben in der Popmusik ohnehin einen großen Stellenwert. Pop soll sich immer mit den Dingen beschäftigen, die gerade aktuell sind. Und das tut die Popmusik, die mich und Esra interessiert. Sie kommt aus einer anderen Generation und mit ihrem Migrationshintergrund aus einer ganz anderen Popkultur. Wir haben uns geschmacklich aber genau an diesem Punkt getroffen und uns sofort auf das geeinigt, was sich in irgendeiner Form - sei es im Sound oder in der Haltung - aus dem Fenster lehnt, weil uns das beiden am besten gefällt.
Welche sind die Acts, die sich Ihrer Meinung nach am weitesten aus dem Fenster lehnen?
Lydia Haider feiert mit ihrer Band Gebenedeit eigentlich so etwas wie eine Messe. Das war ja in der katholischen Kirche immer Männern vorbehalten. Sie macht das in einer Normalität als Frau, dass es wie eine feministische Keule wirkt. Aber auch Mavi Phoenix, der sich geoutet hat, ein Mann zu sein, wobei er früher als Frau aufgetreten ist. Im Sound lehnen sich Pungent Stench weit raus. Das ist eine Grind-Core-Death-Metal-Band aus den späten 80er-Jahren, die ich schon ewig kenne. Diese Art von Musik hat bei einem Popfest noch nie Platz gefunden, weil man dachte, das ist nicht Popmusik ist. Aber wenn man den Begriff Popmusik als Popularmusik versteht, gehört das meiner Meinung nach dazu. Und das Antirassistische steckt sowie so in jedem drinnen, der in dieser Popblase agiert.
Sie sagen, dieses Programm hat einen Hang zur Narretei…..
Das ist das, was Esra und mich sofort verbunden hat. Musiker die sich blind vor Narretei in das hineinwerfen, was sie machen, weil sie es so empfinden, haben uns beiden immer am besten gefallen. Pop muss in meinem und auch Esras Gefühl ein großes Stück Narretei haben, und nicht die wirtschaftliche Seite so wichtig nehmen. Wenn betriebswirtschaftliche Erwägungen der Motor sind, um Pop zu machen, macht das die Musik und generell die Kunst kaputt.
Was war das Schwierigste daran, das Programm in der Corona-Krise zusammenzustellen?
Man ist ja normalerweise nur ein Jahr lang Kurator. Esra und ich haben aber schon 2019 begonnen, an dem Programm für 2020 zu arbeiten, als noch keiner von Corona wusste. 2020 haben wir dann eine komplett abgespeckt, auf vier Acts reduzierte Version in der Karlskirche durchgezogen. Deshalb hatten wir schon einen Grundstock an Programm, den wir ergänzt haben, als wir wussten, wir werden auch heuer kuratieren. Und da haben sich ein paar spannende Dinge ergeben, die erst in der Zeit des Lockdowns entstanden sind.
Welche Dinge waren das?
Es waren Acts, die in der Zeit des Lockdowns produktiv waren und neue Sachen gemacht haben, die plötzlich ganz andere Seiten ihrer Kunst zeigen. Zum Beispiel Attwenger: Sie haben in dieser Zeit mit „Drum“ eine Platte gemacht, die sie selbst als „Trap-Slang und Country-Fiction“ der „Dialektgroove und Polkapunk“ bezeichnen, die in meinen Augen ein Meilenstein ist. Oder ein Oskar Haag, ein 15-jähriger Singer/Songwriter aus Klagenfurt, der heuer im Frühjahr plötzlich seine Songs im Kinderzimmer am Laptop aufgenommen hat. Er wird am Sonntag in der Karlskirche spielen. Sonntag ist der einzige Tag, wo wir zum Finale wieder in der Karlskirche spielen. Und Esra hat für diesen Tag im Karlsgarten ein Programm zusammengestellt, das ganz im Zeichen der migrantischen Szene steht.
War die Verlegung in die Arena ein Vor- oder Nachteil?
Dass wir dorthin gehen, war schnell klar, weil man dort den Eingang kontrollieren kann, aber auch weil es für Wien ein pop- und rock-historisch wichtiges Gelände ist. Weil man aber aufgrund der Corona-Thematik tausende Regeln einhalten muss, war es kein einfacher Prozess. Ursprünglich war das Popfest als bestuhltes Konzert für 500 Personen in der Open-Air-Arena geplant, wobei die Leute auf Sessel mit einem Meter Abstand hätten sitzen müssen. Und jeder der aufgestanden wäre, hätte seinen Platz verloren, weil man dann desinfizieren muss. So etwas ist eigentlich das Gegenteil von dem, wofür Popmusik steht, nämlich, dass so viele Menschen wie möglich gemeinsam diejenigen feiern, die auf der Bühne stehen. Insofern war es zuerst ein daran angepasstes Programm. Als wir dann wussten, dass wir mehr Künstler buchen und auch die kleine Halle bespielen können, haben wir das Programm schnell erweitert. Das war also ein sehr dynamischer Prozess in den letzten Monaten. Aber wir sind sehr froh, dass es jetzt fast ohne Einschränkungen stattfinden kann.
Warum wird die große Halle der Arena nicht bespielt, wenn Abstand halten immer noch kein Fehler ist?
Die große Halle brauchen wir für den Backstagebereich, weil wir sehr, sehr viele Künstler haben, für die der normale Backstagebereich zu klein wäre. Kurzfristig kam jetzt übrigens noch die Auflage dazu, dass in der kleinen Halle Maskenpflicht ist, weil in Wien schärfere Regeln gelten als in anderen Bundesländern. Aber ich finde, das ist okay. Ich bin froh, dass das Popfest so stattfinden kann, wie es jetzt geplant ist, und nicht auf 500 Leute beschränkt geblieben ist.
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