Farbschichten und Bildgeschichten

Giuseppe Nicola Vicentino (Rossigliani) Christus heilt die Aussätzigen
Die Renaissance-Holzschnitte in der Schau "In Farbe!" wirken oft ungeahnt modern.

So genau hatte man „Clair-obscur-Holzschnitte“ eigentlich nie am Radar: Für die mehrfarbigen Drucke, die zuerst um 1500 in Deutschland und danach in Italien und den Niederlanden populär wurden, werden heute keine Millionenbeträge gezahlt, die Namen der Künstler haben deutlich weniger Glamour als Dürer oder Michelangelo.

Baselitz’ Leidenschaft

Dass die Drucke nun in der Albertina einen prominenten Auftritt haben, liegt nicht zuletzt am deutschen Malerstar Georg Baselitz: Der 75-Jährige ist einer der größten privaten Clair-obscur-Sammler, seine Bestände machen die Hälfte der 220 Exponate aus, die noch bis 16. Februar zu sehen sind.

Dass in der Ausstellung eine „künstlerische“ und eine eher traditionell „kunsthistorische“ Sichtweise zusammenkommen, ist eine ihrer Stärken: Die faszinierenden Stücke sind nämlich nicht nur die „Meisterwerke“, sondern auch irreguläre Blätter, in denen etwa Wurmlöcher oder Risse in der gedruckten Holzplatte sichtbar werden.

Bei diesen Bildern schwankt der Blick unentwegt zwischen den dargestellten Motiven und den Spuren der Herstellung. Bei Georg Baselitz’ eigenen Bildern, die ihre Betrachter ja zumeist durch ihr Auf-dem-Kopf-Stehen irritieren, verhält es sich nicht viel anders.

Bilder der Ausstellung

Farbschichten und Bildgeschichten

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Albertina
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Albertina
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Albertina
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Albertina
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Albertina
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Hendrick Goltzius Herkules erschlägt Cacus Samml…
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Sammlung Georg Baselitz

Eine neue Technik

Technisch gesehen sind „Clair-obscur“-Blätter übereinander gedruckte Holzschnitte: Der Hintergrund wird dabei durch eine (oder mehrere) farbige Platten modelliert. Darauf druckten die Künstler noch die eigentliche Zeichnung in Schwarz.

Durch die Gegenüberstellung verschiedener Versionen der Drucke demonstriert Kurator Gnann die Experimentierlust, die durch die damals neue Technik entfesselt wurde: Der genannte Ugo da Carpi, der in Rom u.a. mit Raffael zusammenarbeitete, entwickelte etwa nach zeichnerischen, exakt schraffierten Werken einen fast malerischen Stil, in dem kaum noch schwarze Striche zu sehen sind und alle Atmosphäre aus der Farbe kommt.

Neben Stilfragen fasziniert aber auch der Umgang mit dieser Druckgrafik – denn offenbar war die Praxis, die das Computerzeitalter als „Copy-Paste“ bezeichnet, schon in der Renaissance gang und gäbe: Da wurden abgenutzte Dürer-Druckstöcke postum mit einer Farbschicht aufgepeppt, der Mantuaner Andrea Andreani setzte 1608 sein Monogramm unter einen Holzschnitt, den er aus dem Fundus eines anderen Künstlers gekauft hatte.

Copyright

Ugo da Carpi wiederum hatte bei einigen Bildern einen Copyright-Hinweis mitgedruckt, der Kopierern mit der Bestrafung durch Papst Leo X. drohte. Da der Hinweis oft abgeschnitten wurde, sah er sich später genötigt, ihn direkt ins Bild zu setzen.

Solche Details lassen die alten Grafiken plötzlich aktuell wirken, sie erinnern daran, dass die Geschichte vervielfältigter Kunst nicht nur Kunst-, sondern immer auch Mediengeschichte ist. Ein bisschen mehr davon – das stünde der Albertina, dem Hort der grafischen Meisterwerke, durchaus gut an.

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