Farbe bekennen statt sich verstellen

Juliette Lewis tritt mit ihrer Band The Licks am 24. April in der Wiener Arena auf
Wenn Schauspieler wie Juliette Lewis oder David Duchovny singen, macht sich oft Skepsis breit.

"Ich hasse es, wenn Schauspieler sagen: Komm, schau mir zu, wie ich Gitarre spiele, weil du mich schon in zwölf Filmen gesehen hast."

So zog Johnny Depp voriges Jahr über Kollegen her, die von der Leinwand auf die Musik-Bühnen drängen. Der 52-Jährige ist selbst Hobby-Gitarrist, trat mit seinem Freund Marilyn Manson auf und gastierte bei Oasis. Aber dass Schauspieler ihren Hollywood-Ruhm ausnützen, um eine volle Zweitkarriere als Musiker zu starten, ist für ihn – angesichts der vielen talentierten Jungmusiker, die sich abmühen müssen, um eine Karriere aufzubauen – "ein Luxus, der zum Kotzen ist".

Für Plattenfirmen ist das aber – speziell in Krisenzeiten – eine lohnende Spielwiese: Ein neuer Act, der schon einen großen Namen hat, braucht wenig Aufwand im Marketing, hat aber mit den Film-Fans ein gesichertes und breites Publikum.

Vielleicht drängten deshalb in den letzten Jahren so viele Schauspieler ins Musikgeschäft. Dr.-House-Darsteller und Pianist Hugh Laurie widmete sich auf Platte und Bühne ganz dem Blues. Jared Leto ist mit seiner Rock-Band Thirty Seconds To Mars erfolgreich. Und Juliette Lewis ist seit 2003 mit ihrer Band The Licks auf Tour, gastiert mit ihr heute, Sonntag, in der Arena in Wien.

Schulchor

Der Trend beschränkt sich aber nicht auf Hollywood. Nora Tschirner gründete mit Freunden aus dem Schulchor die Band Prag, veröffentlichte mit ihr Anfang 2015 das zweite Album, stieg aber im August wegen "unterschiedlicher Vorstellungen" aus. Und Jan Josef Liefers war vor Kurzem mit seiner Band Radio Doria in Wien, um das neue Album "Die freie Stimme der Schlaflosigkeit" zu bewerben.

Allen diesen Schauspielern begegneten die Kritiker – mit den selben Argumenten wie Johnny Depp – mit Skepsis. Und die Stars hatten alle andere Strategien, damit umzugehen. Jared Leto weigerte sich, in Interviews für seine Alben über die Hollywood-Karriere zu sprechen.

Akte-X-Star David Duchovny, der erst kurz vor der Veröffentlichung seines Albums "Hell Or Highwater" im vorigen Jahr mit dem Gitarrespielen begonnen hatte und am 19. Mai in Wien auftritt, gab den Kritikern sogar recht: "Ich bin kein Idiot. Ich weiß, dass ich das nur machen kann, weil mein Hollywood-Erfolg mir das ermöglicht. Aber das heißt nicht, dass die Musik Scheiße ist."

Leidenschaft

Viele Schauspieler beteuern, dass sie schon als Kind den Traum hatten, Musiker zu werden. Aber warum sind sie dann nicht gleich der vordringlichen Leidenschaft nachgegangen und haben erst die Schauspielerei angestrebt?

Juliette Lewis sagt, das lag an ihrem Umfeld: "Weil mein Vater Charakter-Darsteller war, habe ich als Teenager mit der Schauspielerei angefangen und fühlte mich dabei nach einer Weile sehr sicher. Ich hatte dann lange Zeit nicht den Mut, eine andere Karriere anzufangen."

Jan Josef Liefers hat sich als Kleinkind aus einem Pfosten des Bettes der Oma eine erste E-Gitarre gebastelt, hatte dann aber – in einer Schauspielerfamilie in der DDR aufgewachsen – "kein Schlupfloch" in die Welt der Musik. Als Mime aber standen ihm durch seine Herkunft Türen offen.

Die Skepsis wird aber auch vom Unterschied in den Disziplinen genährt: Während gute Musik von Selbstausdruck und Authentizität lebt, definiert sich ein guter Schauspieler über die Fähigkeit, sich zu verstellen.

Historisch gesehen war das nicht immer so. In den Zeiten der goldenen Hollywood-Ära, in der Zeit von Doris Day oder Marilyn Monroe, waren Schauspiel,Tanz und Gesang eine Einheit. "Als der Tonfilm aufgekommen ist, hat sich schnell das Musical-Genre etabliert", erklärt Regina Schlagnitweit, Leiterin der Programmabteilung im Österreichischen Filmmuseum. "Insofern war niemand überrascht oder skeptisch, wenn Schauspieler gesungen haben. Das war Teil der Ausbildung. Aber dann kam der Umbruch zu New Hollywood. Es wurde mehr Wert auf eine dokumentarische und realistische Darstellung gelegt, als auf die klassischen Entertainer-Qualitäten. Damit drifteten die Genres auseinander."

Interaktion

Der Unterschied in den Genres ist für Liefers der Hauptgrund, singen zu wollen – neben dem Wunsch wie früher, als er am Theater anfing, wieder Interaktion zwischen sich und dem Publikum zu spüren. "Klar kann man sagen, dann soll er doch wieder ans Theater gehen. Aber das ist nicht so einfach. Und in der Musik geht es nicht um die Texte und Emotionen anderer. Da muss man Farbe bekennen, man selbst sein. Das hat mir als Schauspieler gefehlt. Aber ob das erfolgreich ist, entscheidet das Publikum und kein Kritiker."

Richtig. Ein Publikum, das aus Neugier zum Konzert eines Schauspielers geht oder seine Platte kauft, kommt und kauft – wenn die Musik schlecht oder mittelmäßig ist – vielleicht auch noch ein zweites Mal. Aber nicht auf Dauer. Insofern gibt es da ohnehin eine natürliche – wenn auch gemächliche – Auslese zwischen Top und Flop.

Farbe bekennen statt sich verstellen
Bruce Willis performs with his band "The Bruce Willis Blues Band" during the Netflix Live On Location concert and movie series in the Rocket Garden at the Kennedy Space Center Visitors Complex in Cape Canaveral, Florida August 2, 2007. REUTERS/Scott Audette (UNITED STATES)

Top & Flop im singenden Hollywood

Bruce Willis ist Blues-Fan. Er veröffentlichte in den 80ern zwei Alben und tritt heute noch gelegentlich mit der Bruce Willis Blues Band auf. Weil er als Sänger gut und die Band super klingt, sind diese Konzerte immer ein großer Spaß. Sonst hätte ihn Tina Turner nicht in ihr Vorprogramm geholt.

Kylie Minogue startete als Schauspielerin in der australischen TV-Serie „Neighbours“. Weil sie aber als Sängerin Welthits wie „Can’t Get You Out Of My Head“ hatte, ist das fast schon vergessen. Ähnlich ging es Jennifer Lopez. Auch Jamie Foxx konnte sich als Sänger etablieren.

Nicole Kidman überraschte 2001, als sie mit Robbie Williams „Somethin’ Stupid“ sang – eine Nummer 1 in England, Top 3 in Österreich.

Dagegen klang Scarlett Johanssons Stimme langweilig, als sie 2008 das Album „Anywhere I Lay My Head“ mit Coverversionen von Tom Waits aufnahm. Ähnlich flach waren auch die Songs, die Jennifer Lawrence für ihre Filme aufgenommen hat.

Keanu Reeves versuchte sich als Bassist des Rock-Trios Dogstar, nach zwei Alben war 2002 aber Schluss.

Minnie Driver hat drei Alben veröffentlicht, die zwar die Kritiker mochten, nicht aber die Käufer. Und Jennifer Love Hewitt probiert es auch immer wieder, veröffentlichte seit 1992 vier Studioalben, von denen aber kaum jemand Notiz nahm.

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