Fantasien, die Frauen fesseln
Sie wird als Weltsensation in Buchform gehandelt. Und als Aphrodisiakum, das lustlos gewordene Frauen verzückt. Die schwärmen von der Erotik-Trilogie „Fifty Shades of Grey": „Ich habe nur vom Lesen einen Orgasmus bekommen." Die Männer freut`s.
Worum geht es? Der reiche Unternehmer Christian Grey mit Hang zur Dominanz trifft auf die sexuell unerfahrene Studentin Anastasia Steele und entführt sie ins Reich dunkler Begierden – Fesseln, Schläge inklusive. Ihr gefällt`s – Zitat des Helden: „Du hast daran Geschmack gefunden, Mrs. Steele. Du bist unersättlich." Modernes Märchen.
Nachfrage
Auch sonst liest sich die Erfolgsgeschichte der Erotik-Trilogie „Shades of Grey“ etwas unwirklich. Laut Verlag Vintage (Random House) wurden von dem Roman-Dreier alleine in den USA mehr als 10 Millionen Exemplare verkauft bzw. per eReader geladen. Seit Erscheinungstermin im April 2012 mussten Tag für Tag 950.000 Exemplare gedruckt werden, um die Nachfrage zu befriedigen. Auch die Filmrechte sind schon vergeben – an Universal Pictures.
Im Juli wird der deutschsprachige Markt mit der Prickel-Lektüre versorgt – da erscheint der erste Teil „Shades of Grey – geheimes Verlangen“. Die Erwartungen beim österreichische Buchhandel sind hoch: „Wir rechnen mit einer starken Nachfrage, besonders rund um den Verkaufsstart“, heißt es etwa bei Thalia.
Der Hype hat die 48-jährige Autorin Erika Leonard alias E. L. James überrascht. Die bieder wirkende Mittvierzigerin, Hausfrau und Mutter zweier Teenager, war bis vor Kurzem Angestellte eines TV-Senders in London. Jetzt wurde sie vom Time-Magazine zu den „100 einflussreichsten Menschen der Welt“ gewählt. Dabei war ihr Sadomaso-Oeuvre nur als Fan-Fiction zur Twilight-Saga gedacht. Ein schreiberischer Ausflug in die Welt von BDSM (Bondage & Discipline, Dominance & Submission ), gewürzt mit Romantik, um gegen die Midlife-Crisis anzuschreiben. Dem Guardian sagte Mrs. James: „Es geht um die Fantasie rund um die erste Liebe. Für jemanden, der wie ich 400 Jahre verheiratet ist, ist das etwas Schönes – durch das Buch funktioniert’s indirekt. Es holt dich weg vom Wäschewaschen und Ausräumen des Geschirrspülers.“
„Frauen wünschen sich männliche Männer“
Ein bisschen neidisch ist Christine Janson – Erotik-Coach und Autorin (www.christinejanson.de) aus Frankfurt – schon: „Ich habe mir den ersten Teil der englischen Ausgabe von ,Fifty Shades of Grey` heruntergeladen. Ich wünschte, ich hätte das geschrieben." Das Thema Unterwerfung schreckt sie nicht ab – und darf auch nicht als emanzipatorischer Rückschritt verstanden werden: „Im Gegenteil. Meiner Erfahrung nach werden Frauen sexuell selbstbewusster und da wünschen sie sich Männer, die ihre Männlichkeit souverän verinnerlicht haben und leben können." Das verschaffe Klarheit – und Raum für Spielereien. Denn: Frauen und Männer, die bei sich angekommen sind, können spielen. Das ist ein Zeichen von Reife."
Dass das Thema BDSM zieht, merkt Evelyn Bründl , Geschäftsführerin des österreichischen Erotik-Lifestyle Portals Magnolias (www.magnolias.at) schon seit Längerem. Bei ihr gebe es zwar keine Hardcore-Accessoires, „aber Handschellen, Peitschen oder einschlägige Bücher gehen bei uns sehr gut". Nicht nur. Seit geraumer Zeit bietet sie spezielle „Kamingespräche" an, in deren Rahmen Dominas ihr Spezialgebiet erläutern und diverse Praktiken schlafzimmertauglich erklären: „Ich war selbst erstaunt, wie beliebt das ist. Das erste Mal, als ich dabei war, dachte ich mir: ,Was machen die alle?`" Nach zehn ausgebuchten Seminaren – mit jeweils 25 bis 30 Frauen – weiß sie nun auch darüber Bescheid.
„In Ordnung, wenn es keine Probleme gibt“
In ihrer Praxis ist Brigitte Mühlmann (www.sexualtherapie-graz.at) oft mit den Themen „Dominanz/Unterwerfung" konfrontiert. „Meist dann, wenn diese Passion Probleme macht." Die Lust an der Unterwerfung, an Gefühlen wie Schmerz und Angst erklärt sie so: „Sexualität ist eine erlernbare Fähigkeit, so wie man auch Tanzen oder eine Fremdsprache erlernt, und nicht eine Fähigkeit, die man hat oder nicht hat. Erregung wird auf zwei Kanälen erlebt – über den Körper, in Form der Genitalität. Und über Gefühle – als Emotionalität." Und da gibt es eben Menschen, die – weshalb auch immer – keine ausgeprägte körperliche Wahrnehmung entwickelt und gelernt haben. „Die berührt man und sie sagen selbst, dass sie wenig spüren. Folglich brauchen sie starke Attraktionen und Stimuli von außen, um erregt zu werden – in Form von Fantasien, Stilen, Videos." Oder eben in Gestalt eines Buches.
Beim aktiven sexuellen Spiel mit der Unterwerfung sei es wichtig, zu erkennen, worum es wirklich geht: „Brauche ich das unbedingt, um erregt zu werden? Oder ist es alles nur ein Spiel? Beides ist in Ordnung, wenn ich damit keine Probleme habe." Heikel wird es allerdings, wenn immer stärkere Inputs und Stimuli notwendig werden, um überhaupt Erregung zu spüren.
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