Kunst statt Kassenknüller in Riga

Charlotte Gainsbourg ist für ihre Rolle in Lars von Triers "Nymphomaniac" als beste Schauspielerin nominiert
Für die Verleihung am Samstagabend in Riga ist Lars von Triers "Nymphomaniac" unter den Favoriten - Hubert Sauper mit "We Come As Friends" ist nominiert - "Das finstere Tal" wurde bereits doppelt ausgezeichnet.

Der skandalumwitterte dänische Regisseur Lars von Trier gehört mit seinem Sexdrama "Nymphomaniac" zu den Favoriten für den 27. Europäischen Filmpreis. Wenn am Samstag in der lettischen Hauptstadt Riga die Trophäe für den besten europäischen Spielfilm vergeben wird, hat aber auch ein polnisches Roadmovie über eine junge Novizin Chancen auf den Hauptpreis: Pawel Pawlikowskis Schwarzweiß-Drama "Ida".

Österreicher sind wie schon im Vorjahr in der Königskategorie nicht präsent - und das, obwohl viel gelobte und auf Festivals weit gereiste Produktionen wie Jessica Hausners Kammerspiel "Amour Fou", Sudabeh Mortezais Spielfilmdebüt "Macondo" und Andreas Prochaskas Alpenwestern "Das finstere Tal" in der Vorauswahl waren. Letzterer erhielt dafür im Vorfeld zwei der von einer Jury vergebenen Filmpreise in den Kategorien bestes Szenenbild (Claus-Rudolf Amler) und bestes Kostümbild (Natascha Curtius-Noss). Zuletzt ging der Hauptpreis im Jahr 2012 nach Österreich: Auf Malta triumphierte Michael Haneke mit seinem Sterbedrama "Amour" in den Kategorien Bester Film, Regie, Hauptdarsteller und Hauptdarstellerin.

Doku

Kunst statt Kassenknüller in Riga
Hubert Sauper: We come as friends
Einzig in der Dokumentarfilm-Kategorie dürfen sich heuer unter anderem der österreichische Regisseur Hubert Sauper mit "We Come As Friends" sowie der Stuttgarter Marc Bauder mit der deutsch-österreichischen Koproduktion "Master of the Universe" Hoffnungen auf einen Preis machen.

In der Kategorie Bester Spielfilm setzen die 3.000 Akademie-Mitglieder, die über die Gewinner entscheiden, augenscheinlich mehr auf Kunst als auf Kassenknüller. Von Triers Film ist in der fünfeinhalb Stunden langen Version "Nymphomaniac Director's Cut - Volume I & II" nominiert. Die Hauptdarsteller des drastischen Werks, Charlotte Gainsbourg und Stellan Skarsgard, gehen in der Kategorie beste Schauspieler an den Start. Zu den fünf für den Hauptpreis nominierten Filmen gehört auch der dreistündige Cannes-Gewinner "Winterschlaf". Das Werk des türkischen Regisseurs Nuri Bilge Ceylan über die Lebenskrise eines Intellektuellen startet voraussichtlich im Februar in den österreichischen Kinos.

Am 23. Jänner läuft dann auch der schwedische Filmpreis-Anwärter "Höhere Gewalt" hierzulande an: Ruben Östlund erzählt darin von einer Familie, deren Leben nach einem Lawinenabgang aus der Bahn gerät - weil der Vater panisch flüchtet, statt seine Kinder zu beschützen. Ebenfalls im Rennen sind Pawel Pawlikowskis "Ida" (Polen) sowie "Leviathan" von Andrey Zvyagintsev (Russland), die insgesamt auf fünf respektive vier Nominierungen kommen. Chancen auf je drei Auszeichnungen haben indes "Nymphomaniac" sowie "Winterschlaf" und Steven Knights Ein-Mann-Drama "Locke".

Einer der absoluten Publikumsrenner des Jahres ist nicht dabei: die französische Multikulti-Komödie "Monsieur Claude und seine Töchter". Stattdessen rittern Paco Leons "Carmina & Amen", Roger Michels "Le Week-End" und Pierfrancesco Dilibertos "The Mafia Only Kills in the Summer" um die Ehrung für die "Europäische Komödie 2014".

Regiepreis

Als bester Regisseur ist neben Ceylan, Östlund, Pawlikowski, Zvyagintsev und Knight noch Paolo Virzi ("Human Capital") nominiert. Chancen auf eine Trophäe als beste Schauspieler haben indes neben Gainsbourg und Skarsgard für "Nymphomaniac" auch Timothy Spall ("Mr. Turner - Meister des Lichts"), Valeria Bruni Tedeschi ("Human Capital"), Marion Cotillard ("Zwei Tage, eine Nacht") und Brendan Gleeson ("Am Sonntag bist du tot").

Der Preis für das Lebenswerk geht an die französische Filmemacherin Agnes Varda (86), die "Großmutter der Nouvelle Vague". Der Brite Steve McQueen, der den diesjährigen Oscar-Gewinner "12 Years a Slave" drehte, wird für seinen "einzigartigen Beitrag zum internationalen Kino" geehrt.

Riga, Europäische Kulturhauptstadt 2014, ist nach Tallinn die zweite baltische Hauptstadt, in der der Filmpreis vergeben wird. Als Moderator der Gala steht Comedian Thomas Hermanns ("Quatsch Comedy Club") auf der Bühne der lettischen Nationaloper. "Mit Hilfe der Film Awards wollen wir das lettische und europäische Kino stärker bekannt und populärer machen", sagt die Leiterin des Nationalen Filmzentrums, Dita Rietuma. An den lettischen Kinokassen hatten Hollywood-Streifen im Vorjahr einen Marktanteil von 77 Prozent. Der europäische Film brachte es laut Statistik auf zehn Prozent und Filme aus heimischer Produktion auf nur vier Prozent.

Die französische Filmemacherin Agnes Varda (86) wird für ihr Lebenswerk mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet. Die Filmregisseurin, Installationskünstlerin und Fotografin - "Großmutter der Nouvelle Vague" - werde als Schlüsselfigur der französischen und europäischen Filmlandschaft geehrt, so die Europäische Filmakademie. Vardas Arbeit habe auch die Welt der Kunst maßgeblich geprägt.

Die am 30. Mai 1928 in Brüssel geborene Tochter eines Griechen und einer Französin besuchte die Hochschule für Fotografie in Paris. 1947 war Agnes Varda Bühnenfotografin beim Theaterfestival in Avignon. Als Fotoreporterin bereiste sie China, Afrika, Amerika und die Sowjetunion. Mit ihrem Dokumentarfilm von 1955 "La Pointe Courte" (Die kurze Spitze) über eine Ehekrise wurde die Pionierin des französischen Autorenkinos zur "Mutter der Nouvelle Vague" (Neue Welle). Der Durchbruch kam 1961 mit ihrem ersten Spielfilm "Cleo de 5 a 7" (Mittwoch zwischen 5 und 7).

1966 fand Varda nach ihrem Kinoflop "Les Createurs" (Die Erfinder) mit Catherine Deneuve und Michel Piccoli keine Geldgeber mehr und gründete ihre eigene Produktionsfirma. Für "Sans toit ni loi" (Vogelfrei) über eine Obdachlose bekam sie 1985 den Goldenen Löwen in Venedig. Mit "Jacquot de Nantes" setzte sie 1991 ihrem gestorbenen Mann, dem Regisseur Jacques Demy, ein Denkmal. 2006 erschien der Dokumentarfilm "Die Witwen von Noirmoutier" über 14 Frauen von der Atlantikküste. Dazu zeigte Varda bei Video-Installationen auf 14 Monitoren Beiträge der Witwen. 2008 kam nach über 30 Filmen die Autobiografie "Les Plages d'Agnes" (Agnes' Strände) ins Kino.

In der lettischen Hauptstadt Riga wird am Samstag (13.12.) der 27. Europäische Filmpreis verliehen. Der österreichische Beitrag "Das finstere Tal" steht bereits als doppelter Preisträger fest. Folgend die Nominierungen.

Bester Spielfilm:

- "Nymphomaniac Director's Cut - Volume I & II" von Lars von Trier (Dänemark)

- "Ida" von Pawel Pawlikowski (Polen)

- "Winterschlaf" von Nuri Bilge Ceylan (Türkei)

- "Leviathan" von Andrey Zvyagintsev (Russland)

- "Höhere Gewalt" von Ruben Östlund (Schweden)

Beste Komödie:

- "Carmina & Amen" von Paco Leon (Spanien)

- "Le Week-End" von Roger Michell (Großbritannien)

- "The Mafia only kills in the Summer" von Pierfrancesco Diliberto (Italien)

Beste Schauspielerin:

 - Charlotte Gainsbourg ("Nymphomaniac Director's Cut - Volume I & II") - Marion Cotillard ("Zwei Tage, eine Nacht") - Valeria Bruni Tedeschi ("Human Capital") 


- Agata Kulesza ("Ida")

- Agata Trzebuchowska ("Ida")

- Marian Alvarez ("Wounded")

Bester Schauspieler:

 - Stellan Skarsgard ("Nymphomaniac Director's Cut - Volume I & II") - Timothy Spall ("Mr. Turner - Meister des Lichts") - Brendan Gleeson ("Am Sonntag bist du tot") 


- Tom Hardy ("No turning back")

- Alexey Serebryakov ("Leviathan")

Bester Dokumentarfilm:

- "Master of the Universe" von Marc Bauder (Deutschland/Österreich)

- "We come as Friends" von Hubert Sauper (Österreich)

- "Of Men and War" von Laurent Becue-Renard (Frankreich)

- "Sacro GRA" von Gianfranco Rosi (Italien)

- "Waiting for August" von Teodora Ana Mihai (Belgien)

- "Just the right amount of violence" von Jon Bang Carlsen (Dänemark)

Bester Animationsfilm:

- "Jack und das Kuckucksuhrherz" von Mathias Malzieu, Stephane Berla (Frankreich)

- "Miniscule - Valley of the lost Ants" von Thomas Szabo, Helene Giraud (Frankreich)

- "Die Kunst des Glücks" von Alessandro Rak (Italien)

Bester Regisseur:

- Nuri Bilge Ceylan ("Winterschlaf")

- Pawel Pawlikowski ("Ida")

- Steven Knight ("No turning back")

- Ruben Östlund ("Höhere Gewalt")

- Paolo Virzi ("Human Capital")

- Andrey Zvyagintsev ("Leviathan")

Bestes Drehbuch:

- Ebru Ceylan, Nuri Bilge Ceylan ("Winterschlaf")

- Pawel Pawlikowski, Rebecca Lenkiewicz ("Ida")

- Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne ("Zwei Tage, eine Nacht")

- Steven Knight ("No turning back")

- Oleg Negin, Andrey Zvyagintsev ("Leviathan")

Bester Debütfilm:

- "71" von Yann Demange (Großbritannien)

- "10,000 km" von Carlos Marques-Marcet (Spanien)

- "Party Girl" von Marie Amachoukeli, Claire Burger, Samuel Theis (Frankreich)

- "The Tribe" von Myroslav Slaboshpytskiy (Ukraine)

- "Wounded" von Fernando Franco (Spanien)

Folgende Preisträger stehen bereits fest:

Lebenswerk: Agnes Varda (Frankreich)

Europäischer Beitrag zum Weltkino: Steve McQueen (Großbritannien)

Bestes Szenenbild: Claus-Rudolf Amler ("Das finstere Tal")

Bestes Kostümbild: Natascha Curtius-Noss ("Das finstere Tal")

Beste Filmmusik: Mica Levi ("Under the skin")

Beste Kamera: Lukasz Zal, Ryszard Lenczewski ("Ida")

Bester Schnitt: Justine Wright ("No turning back")

Bestes Sounddesign: Joakim Sundström ("Starred up")

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