Es ist nicht einfach, Geschwister zu haben

Cynthia D’Aprix Sweeney
Das Nest von Cynthia D’Aprix Sweeney: Eine Familie wartet auf die Erbschaft.

Es gilt für alle vier Geschwister – für Melody und Bea, für Jack und Leo: Schön, dich zu sehen, du A...

Das sind keine Sympathieträger, und trotzdem leidet man mit ihnen. Das sind keine Zerrbilder der Wirklichkeit. Das sind ... Geschwister.

Was sie verbindet, ist: Die haben auf Pump gelebt. Melody z. B.: Ihre Töchter müssen selbstverständlich aufs sauteure College. Sie wird sich von ihrem historischen Haus in einer der schönsten Straßen New Yorks trennen.

Oder Jack: Er trägt eine seltene Cartier Tank aus den 1940ern am Handgelenk und steht knapp vor der Pleite.

Bea bringt das Problem, was sie zuerst (aber alle) betrifft, auf den Punkt:

"Es ist wirklich nicht leicht für mich, Bea zu sein."

(Spricht’s und wirft den Vibrator in die Schublade.

Er hat nicht funktioniert.)

Sightseeing

Die Amerikanerin Cynthia D’Aprix Sweeney bekam als Vorschuss für den Roman einen siebenstelligen Dollarbetrag. Vorher hatte sie in New York als Werbetexterin in einer kleinen Agentur gearbeitet; und mit 40 die Nase voll.

Sage niemand, das sei bloß Unterhaltung! Es gab 2016 nur wenige Romane, die derart gut unterhalten, mit Witz, aber nicht zu viel Witz. Und Sightseeing hat man auch. Der Central Park im Schnee. Die Oyster Bar beim der Grand Central Terminal ... wo sie für eine Flasche Veltliner 2012 vom Kracher und Sohm 72 Dollar verlangen.

Man sollte "Das Nest", sofern es noch nicht verschlungen wurde, ins 2017er-Jahr hinüberretten.

Machen wir weiter, um die Ausgangsposition zu erklären: Mit "Nest" ist eine Erbschaft gemeint. Der Vater der Geschwister, er ist längst tot, hatte mit Damenhygieneartikeln ordentlich verdient.

Man rechnet mit je fünf Millionen Dollar. Zum 40. Geburtstag der Jüngsten, das ist Melody, soll verteilt werden. So wurde es verfügt.

Aber Leo, der Lebemann, hatte einen Autounfall: In seinem Porsche fuhr der 46-Jährige mit Kokain vollgepumpt, und eine 19-Jährige war gerade in Leos Hose unterwegs.

Ihr musste ein Fuß amputiert werden. Ein Notfall, um den Skandal zu vermeiden: Die Erbschaft wurde für Schadenersatz und Scheidung verbraucht (der Leo war verheiratet).

Und jetzt? Jetzt zählt vielleicht doch Familie, nicht Geld.

Cynthia D’Aprix Sweeney:
„Das Nest“
Übersetzt von Nicolai von Schweder- Schreiner.
Klett-Cotta. 410 Seiten. 20,50 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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