"Es is guat, am Leben zu sein!"

"Es is guat, am Leben zu sein!"
Im Wiener MQ wurde am Montagabend das Theater gefeiert. Dörte Lyssewski und Joachim Meyerhoff wurden beste Schauspieler, Karlheinz Hackl wurde fürs Lebenswerk geehrt.

Viel braver Dank und eine Gala ohne Biss – aber endlich eine Auszeichnung für Joachim Meyerhoff. Unfassbar, dass es sein erster ist! Joachim Meyerhoff, genialer Burgtheaterschauspieler, debütierte Montagabend im Wiener MQ als Nestroy-Preisträger. Seine ein­minütige Dankesredezeit nützte er, um im Stakkato darauf hinzuweisen, dass er den Preis zwar für die Rolle als Kommunenchef Erek (in einer Vinterberg-Uraufführung am Akademietheater) in Empfang nehme, aber nicht gewillt sei, ihn gemeinschaftlich zu teilen.
Der Neidgesellschaft ein Schnippchen geschlagen.

Doch, halt, nein, so kann’s gar nicht sein. Bei der Gala des Wiener Theaterpreises herrschte nämlich eitel Wonne Waschtrog. Alle dankten brav-bieder dem jeweiligen Theaterapparat, der ihnen diese Ehre erst ermöglicht hätte ... blabla-fad. Selbst als Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny auf offener Bühne anmerkte, ihm sei durchaus klar, dass etliche Theaterschaffende in „prekären Verhältnissen“ lebten – Stille.

Rascher Abgang

Die stets streitbaren Garage-X-Macher Harald Posch und Ali Abdullah nahmen ihren Spezialpreis gerührt entgegen; Autoren-Preisträger Daniel Kehlmann, bei seiner Salzburger Festspiel-Eröffnungsrede 2009 noch ein Erreger, verschwand rasch von der Bühne. Die größte Freude hatten Puppenspieler Nikolaus Habjan und Regisseur Simon Meusburger, die für „F. Zawrel“ den mit 30.000 Euro dotierten Off-Preis erhielten. Spiegelgrund-Überlebender Friedrich Zawrel saß in Publikum – und wurde in den Applaus miteinbezogen.

Der Magic Moment kam, als Lebenswerk-Preisträger Karlheinz Hackl das Publikum einlud, Georg Danzers „Es is guat, am Leben zu sein!“ zu singen. Eine Erinnerung. An den Danzer. Daran, dass es Wichtigeres gibt als Bühne, Preise, banale Worte.
Ansonsten: Business as usual. Die Burg bekam vier Nestroys (neben Meyerhoff Dörte Lyssewski, „Winterreise“-Regisseur Stefan Bachmann und Ausstatter Olaf Altmann), das Volkstheater zwei (Maria Bill und Miloš Lolić).

Die Josefstadt ging trotz drei Nominierungen leer aus. Und hatte auf KURIER-Anfrage kein Interesse, einen Kommentar abzugeben. Stephanie Mohr wurde für „Woyzeck & The Tiger Lillies“ beste Regisseurin, beste Bundesländeraufführung „Geister in Princeton“ am Schauspielhaus Graz.

Dörte Lyssewski
Beste Schauspielerin in "Endstation Sehnsucht", Burg

Joachim Meyerhoff
Bester Schauspieler in "Die Kommune", Akademietheater

Maria Bill
Beste Nebenrolle in "Die Dreigroschenoper", Volkstheater

Stephanie Mohr
Beste Regie bei "Woyzeck & The Tiger Lillies", Vereinigte Bühnen Wien

Miloš Lolić
Bester Nachwuchs für seine Inszenierung von "Magic Afternoon", Volkstheater

Olaf Altmann
Beste Ausstattung für "Winterreise", Akademietheater

Garage X
Spezialpreis für die Saison 2011/12

Nikolaus Habjan und Simon Meusburger
Beste Off-Produktion für "F. Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig", Schubert Theater

Stefan Bachmann
Beste Deutschsprachige Aufführung für seine Regie von "Winterreise", Akademie

Anna Badora
Beste Bundesländer-Aufführung für "Geister in Princeton", Schauspielhaus Graz

Daniel Kehlmann
Bestes Stück – Autorenpreis für "Geister in Princeton"

Karlheinz Hackl
Lebenswerk

Claudius Körber
Publikumspreis
 

Im Programmheft, das bei der Nestroy-Verleihung verteilt wurde, wird der Autor dieser Zeilen als Juror genannt. Das ist nicht korrekt.
Ihr Kolumnist hat dieses Amt aus Protest gegen die Änderungen der Statuten zurückgelegt. Zuletzt war es ja so gewesen, dass eine Kritiker-Jury die Nominierungen festlegte, und die Nestroy-Akademie, bestehend aus bisherigen Preisträgern, die Sieger kürte. Dann wurde das System auf den Kopf gestellt: Nun nominiert die Akademie, und die Jury wählt die Sieger. Das ist nahe an der Farce, weil viele Mitglieder der Akademie nicht in Österreich leben und einige zentrale Aufführungen mit Sicherheit gar nicht gesehen haben.

Als Nicht-Juror kann man also unverdächtigermaßen feststellen, dass bei dieser Verleihung zwei Kapitalfehler passierten: Die musikalischen Aufheiterungen durch Zabine und Roman Gregory, beide nicht gerade als Fixsterne am Theaterhimmel bekannt, waren Ernüchterungen; mit solchen Acts nähert sich der wichtige Theaterpreis dem unwichtigen Amadeus gefährlich an. Und: Bei einem Schauspielerpreis auf Schauspieler als Laudatoren zu verzichten, ist fahrlässig. Robert Meyer, als Moderator auf sich alleine gestellt, hat sich dennoch gut geschlagen.


Was vom Nestroy 2012 bleibt: Eine rührende Rede von Heinz Marecek, ein berührender Auftritt von Karlheinz Hackl. Und Unverständnis dafür, dass die mediokre Produktion „Woyzeck“ (Vereinigte Bühnen) den Regie-Preis bekam.

Gert Korentschnig

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