Erwin Riess: Groll-Roman über Kärnten

Erwin Riess: Groll-Roman über Kärnten
"Herr Groll im Schatten der Karawanken": Eine wilde Geschichte, lustig erzählt. Wäre doch alles nur erfunden! Ist es aber nicht.

Man weiß so wenig und vergisst so viel: Dem Roman "Herr Groll im Schatten der Karawanken" ist eine Notiz vorangestellt: Der Loibl-Tunnel wurde von 1652 Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen gebaut. Auf slowenischer Seite gibt es seit 1955 ein Mahnmal. Auf Kärntner Seite wurde erst Mitte der 1990er-Jahre eine Gedenkstätte errichtet. Als dort 2009 eine Kundgebung stattfand, kamen die Bundespräsidenten Sloweniens und Österreichs. Es fehlten der Kärntner Landeshauptmann Dörfler und sein Stellvertreter Scheuch. Dörfler sagte, er sehe nicht ein, warum "man jedes Mal Kränze niederlegen soll". Scheuch gab an, er habe der Freisetzung eines Bartgeierpärchens beigewohnt. Eine Zeitung zitierte ihn damals: "In dem Moment war das für mich wichtiger."

Derart "geladen" steigt man ins Buch ein, das nach Kärnten fährt: im alten Renault, bei dem auf der Pack das Kennzeichen gewechselt wird. Soll ja niemand wissen, dass da zwei Wiener kommen (und der Josef)... Der Herr Groll kommt. Er ist das Alter Ego des Floridsdorfer Schriftstellers Erwin Riess. Er ist gelähmt und hat einen Rollstuhl. Der Rollstuhl heißt Josef.

Die Zeitgeschichte schlägt in jeder Seite ein.

Erwin Riess: Groll-Roman über Kärnten

Die Bücher mit den beiden sind immer auch der Kampf eines Körperbehinderten gegen Windmühlflügel bzw. Stufen. Man wird also – auch – erfahren, dass Rollstuhlfahrer im Moser Verdino, im Hotel Schloss Seefeld und im Seehotel Schloss Velden nicht aufs Klo können. Man ist nicht behindertengerecht.

Mit dem Herrn Groll fährt "der Dozent" nach Kärnten. Sohn aus reichem Haus. Privatgelehrter. Er hat von der Mama den Auftrag bekommen, in der Vergangenheit zu graben. Ob ihr Vater Kurt ein Naziverbrecher war. Und ob ihre Mutter Alice mit John F. Kennedy Sex hatte, als er am Wörthersee war. Eine wilde Geschichte; und trotz allem lustig, damit man’s aushält.
Seit Erwin Riess in Kärnten verheiratet ist, ertrinkt er fast in Informationen übers Land. Mit diesem vierten Groll-Roman strampelt er sich halbwegs frei. Als Krimi funktioniert das überhaupt nicht. Gott sei Dank. Obwohl es Leichen gibt, denn die Wiener stolpern in den Finanz-Sumpf.
 
Warum man das Buch lesen sollte? Wegen der Zeitgeschichte, die auf jeder Seite einschlägt: Von den 60 fanatischen SS-Führern ist die Rede, vom Euthanasie-Programm im Hinterhaus des Klagenfurter Krankenhauses ... Und nur beim GTI-Treffen kotzen sich alle an? Groß ist der Wunsch, dass Erwin Riess maßlos übertrieben hat. Doch war ein Historiker an der Seite.

Kärnten sei "ein gefrorener Albtraum", heißt es an einer Stelle. Vor einer Woche fand im Klagenfurter Konzerthaus eine große Gedenkveranstaltung für die 1100 Slowenen, die von den Nazis aus Kärnten vertrieben worden waren, statt. Die Landesregierung war nicht vertreten. Immer diese Bartgeier.

Peter Pisa

KURIER-Wertung: **** von *****

Haruki Murakami: Kurzgeschichten in Bronze und Moosgrün

Erwin Riess: Groll-Roman über Kärnten

Das ist nicht neu, aber wenn man’s so gut verpackt, ist es neu. Murakamis mordsmäßig hungrige Studenten, die – Messer in der Hand – einen Bäcker überfallen, haben schon vor 17 Jahren für Verwirrung gesorgt. Der Bäcker schlägt einen Deal vor: Sie können so viel essen, wie sie wollen, wenn sie sich mit ihm "Tristan und Isolde" anhören.
"Mögt ihr Wagner?" – "Nein." – "Mögt ihn, und ich gebe euch Brot!"

Erwin Riess: Groll-Roman über Kärnten

In der Fortsetzung hat dann einer der ehemaligen Studenten mit seiner Freundin eine McDonald’s-Filiale überfallen. 30 Big Mac! Das Cola wird selbstverständlich bezahlt!
Nun sind die beiden Kurzgeschichten in "Die Bäckerei-Überfälle" (übersetzt von Damian Larens, DuMont, 15,50 Euro) vereint – und noch surrealer sind sie. Weil die Berlinerin Kat Menschik ihre Bilderwelten hinzustellt. In Bronze und Moosgrün. Der japanische Schriftsteller ist seit der Zusammenarbeit an dem Roman "Schlaf" von ihr begeistert. Sie illustriert nicht die Geschichte, sondern fischt einzelne Sätze heraus. So kommt sogar ein Fisch ins Buch.

Peter Pisa

KURIER-Wertung: **** von *****

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