Ernst Fuchs: Auf der Umlaufbahn in die Ewigkeit

Der Patriarch des Phantastischen: Ernst Fuchs 2013 in seiner von Otto Wagner erbauten Villa.
Ernst Fuchs, Universalkünstler und Mitbegründer des "Phantastischen Realismus", starb mit 85 Jahren.

War Ernst Fuchs jemals ein zeitgenössischer Künstler? Vermutlich nicht. Der Maler, der am Montagmorgen 85-jährig im Kreise engster Angehöriger im Wiener Sophienspital "friedlich eingeschlafen" ist, wie sein Sohn erklärte, bewegte sich stets auf einer anderen Umlaufbahn.

Die Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken und Skulpturen, die Ernst Fuchs in großer Zahl schuf, befanden sich stets im Dialog mit übergeordneten Traditionen: Mit archaischen Mythen, mit der Bibel, mit der Kunst der alten Meister. Von ihnen übernahm der talentierte Mann aus Wien obskure Techniken und malte, etwa in Eitempera und Harzöllasur, gepeinigte Heilige und apokalyptische Szenarien. "Ein Einblick in das Vergangene, das Vorangegangene, ist ein Schauen in den Behälter des Weltalls", postulierte der Künstler 2001 in einem Katalog.

Das Sendungsbewusstsein kam Ernst Fuchs nie abhanden, und so schien es ihn kaum zu stören, dass die Kunstszene seine bildgewaltigen, technisch perfekt ausgeführten Kreationen irgendwann nicht mehr als ihren Mittelpunkt betrachtete.

Eine Klasse für sich

Eine Weile hatte die "Wiener Schule des Phantastischen Realismus", die Fuchs 1948 gemeinsam mit Arik Brauer (86), Anton Lehmden (86), Rudolf Hausner ( 1995) und Wolfgang Hutter ( 2014) ins Leben gerufen hatte, die heimische Szene dominiert. Es war eine eigenständig österreichische Hervorbringung, die ihren international nächsten Verwandten im Surrealismus hatte, ohne dessen avantgardistische Ideologien und strengen Manifeste zu teilen.

Der Surrealist Salvador Dalí hatte auf Fuchs dennoch starken Eindruck, nicht zuletzt durch seine Selbstinszenierung. Wie Dalí entwickelte Fuchs eine unverkennbare Markenzeichen-Identität, der er – mit Kapperl, Bart, eleganten Anzügen und reichlich Schmuck – bis zuletzt treu blieb.

Fürstlich und religiös

Der "Malerfürst" gestaltete seinen eigenen Rolls-Royce, ab 1972 baute er eine Otto-Wagner-Villa in Hütteldorf in seinem Stil um, sie ist heute ein Privatmuseum. Als Society-Erscheinung blieb Fuchs damit stets im öffentlichen Bewusstsein präsent, seinem künstlerischen Ruf tat er mit der massenhaften Produktion von Druckgrafiken, Kleinplastiken und bedruckten Leinwänden, die er teils von Assistenten bemalen ließ, nicht unbedingt Gutes. Die Fangemeinde, die dem Meister in seine Bildwelten gefolgt war, kaufte die vollbusigen Sphingen und ätherischen Bibelfiguren dennoch. Von öffentlichen Förderungen hielt der Künstler wenig.

Abseits der Produktion für den Markt verfolgte Fuchs aber bis ins hohe Alter große Ziele: Als ein Hauptwerk kann wohl die Kapelle in der Klagenfurter Stadtpfarrkirche St. Egid gelten, an der er von 1990 bis 2010 immer wieder arbeitete. Für das Bildprogramm – Szenen aus der "Offenbarung des Johannes" – schöpfte Fuchs aus seiner tiefen Religiosität.

Als Sohn eines jüdischen Altwarenhändlers und einer katholischen Näherin erst spät getauft, entwickelte sich Fuchs nach und nach zum glühenden und äußerst bibelfesten Katholiken, der freilich auch den sinnlich-erotischen Bildgehalt der Überlieferungen für sich zu nutzen wusste: "Man hat fast alle Themen des Neuen und Alten Testaments verwendet, um das anzubringen, was die Leut’ halt gern sehen", sagte er 2010 im KURIER-Interview. "Und wer sieht schon gern einen Asketen, der auf glühenden Kohlen betet?"

In seiner Frühzeit war Fuchs durchaus bei Würdenträgern angeeckt – wegen der heute in der Albertina befindlichen Zeichnung "Die Metamorphose der Kreatur" (1949), die eine gekreuzigte Figur mit nacktem Penis und Bischofsmütze zeigt, verdächtigte man ihn der Herabwürdigung religiöser Lehren.

Patriarch und Fantast

Freilich knüpfte Fuchs auch hier an überzeitliche Vorbilder an – die grotesken Bildwelten eines Hieronymus Bosch und die ekstatischen Verzerrungen deutscher Renaissance-Meister wie Matthias Grünewald waren bei ihm ebenso präsent wie die symbolistische Malerei eines Gustave Moreau. In Paris, wo Fuchs von 1950 bis 1962 lebte, sowie auf zahlreichen späteren Reisen sog er zahlreiche Einflüsse auf.

Fuchs’ internationale Wahrnehmung geschah oft abseits des Kunst-Establishments: Mati Klarwein, der Designer legendärer Plattencover wie Santanas "Abraxas" oder Miles Davis’ "Bitches Brew", stand ebenso mit dem Wiener in Kontakt wie der 2014 verstorbene "Alien"-Erfinder H.R. Giger. "Es gibt großartige Künstler, die unter meinen geistigen Kindern aufgetaucht sind und deren Werke ich mehr schätze als meine eigenen", sagte Fuchs, der 16 leibliche Kinder zeugte (siehe S. 28), zum KURIER. In diesem Sinn ist tatsächlich ein "Übervater" der Phantastischen Kunst von uns gegangen.

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