Enttäuschender Headliner in Saalfelden

Enttäuschender Headliner in Saalfelden
Kritik: Beim Jazzfest in Saalfelden gab es einen enttäuschenden Headliner und frischen Free Jazz.

Der teuerste und längste Soundcheck der Jazz-Geschichte." Das war der bissigste, aber auch treffendste Kommentar aus dem Publikum zur Wiederbelebung der 1961 von Muhal Richard Abrams’ gegründeten Experimental Band am Samstag beim Jazzfestival Saalfelden.

Da wurden mit großem Aufwand neun Hochkaräter wie die Saxofonisten Henry Threadgill und Roscoe Mitchell sowie der Trompeter Wadada Leo Smith – jeder einzelne für sich der Schöpfer eines eigenen Klangkosmos in der Chicagoer Jazz-Avantgarde – eingeflogen. Da wurden zwei Klaviere auf die Bühne gestellt. Abrams schrieb neue Musik.

Aber was kam dabei he­raus? Ein Nichts. Nicht einmal ein Rückblick in eine glorreiche Vergangenheit. Ein ratloses Blättern in den Noten – vielleicht hätte das All-Star-Ensemble doch ein paar Stunden in Proben investieren sollen. Und nach spannungslosen Soli die Erkenntnis: Das Feuer von einst brennt nicht mehr.

Neue Impulse

Enttäuschender Headliner in Saalfelden

"Die Zukunft der Jazz-Gitarre beginnt hier", schrieb das Magazin All About Jazzüber Mary Halvorson. Die aus Boston stammende und in Brooklyn lebende Gitarristin hat für sich einen Stil zwischen allen Stilen – ein Konglomerat aus Folk, Artrock, Jazz und Kammermusik – entwickelt.

Die ebenso zierliche wie energische Musikerin versteht sich bei ihrem Projekt "Bending Bridges" im Quintett darauf, Töne zu verbiegen und zu verzerren, oder lässt ihr Instrument in bester Hendrix-Manier heftig splittern und bersten.

Erfrischend originell und kraftvoll auch der Auftritt von Jenny Scheinman: Die innovative Jazzgeigerin hat sich u. a. auf Norah Jones’ Millionenseller "Come Away with me" verewigt. Ihr aktuelles Projekt "Mischief & Mayhem" (auf Deutsch: Unheil & Chaos) versammelt mit Chuzpe witzig-skurrile Stücke, fragile Miniaturen und ausladend versponnene Improvisationen, angesiedelt irgendwo im Niemandsland zwischen Jazz, Folk, Blues und was auch immer.

Altes wird ganz neu

Dass der Free Jazz keine lustfreie Zone sein muss, beweist das Betthupferl lange nach Mitternacht mit der in Berlin lebenden Japanerin Aki Takase.

Die Grande Dame des Free Jazz, inzwischen Post-Free Jazz, spielt bei ihrem "New Blues Project" keinen ge­fälligen Piano-Jazz, sondern Unerhörtes, Überraschendes mit Ecken und Kanten. Da zeigt sich ihre Vorliebe für schrill kesse Melodien, verquere Rhythmen und abgründigen Humor. Da schunkelt’s zunächst munter sekundenlang dahin, als wär’s ein Original-Dixieland. Da werden Hadern wie "Honeysuckle Rose", "Memphis Blues" oder "Jitterbug Waltz" zitiert, um alsbald völlig dekonstruiert in eigene Kompositionen und freie Improvisationen einzufließen. Aus einem Tänzeln und Swingen wird allmählich ein programmiertes Stolpern, ein desorientiertes Taumeln und schließlich ein unkontrolliertes Trudeln. Takases bewährte Sturm-und-Drang-Truppe mit Nils Wogram (Posaune), Rudi Mahall (Bassklarinette), Paul Lovens (Drums) und Eugene Chadbourne (Gesang, Gitarre) löst sich von allen Klischees und Erwartungshaltungen und schraubt an den altbekannten Standards herum, dass es eine Freude ist.

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