Entdeckung in der Buchhandlung: "Tschulie"

Silvia Pistotnig
Silvia Pistotnig und ihr Roman über eine herzige "Proletenschlampe"

Ach, Tschulie. Wenn sie im AMS gefragt wird, ob sie irgendwas interessiert, dann antwortet sie: Lesen. Bewegen. Malen. Kinder

Das hat Tschulie nämlich bei "Germany’s Next Topmodel" von einer Kandidatin gehört. Also sagt sie’s auch. Und muss die Beraterin zurückhalten, damit die ihr keinen Ausbildungsplatz als Kindergärtnerin zuteilt.

In Wahrheit will Tschulie: Fernsehen. Essen. Schlafen. Zurzeit jobbt sie im Soli – also im Solarium. Eine Schulabbrecherin, die von ihrer Mutter auf die Straße bugsiert wird, weil die mit ihrem neuen Lebensgefährten allein sein will.

Dann lernt sie einen Typen kennen, der sieht zwar wie der hochbegabte Sheldon aus der TV-Serie Big Bang Theory" aus. Aber er kann immerhin auf dem Computer alle Kinofilme streamen. Dafür entjungfert Tschulie den Buben gern. Als sie bei ihm einziehen will, ist er lieber nicht zu Hause, aber seine Mutter ... und das wird jetzt noch besser.

Hurra, Klischee!

Denn zwar ist das eine andere Welt, andererseits ist auch dieser wohlhabenden Frau recht fad im Kopf. Sie würd’ gern malen. Aber sie macht es nicht. Schauen sich die um 20 Jahre ältere Karin ab sofort gemeinsam mit der "Proletenschlampe" Seifenopern im Fernsehen an?

Was Silvia Pistotnig – Klagenfurterin in Wien – geschrieben hat, ist nicht nur sehr vergnüglich. Sondern gesund: Was als Karikaturen beginnt, wird allmählich so echt menschlich, und da kann man nicht abwehren: Pah, lauter Klischees.

Herrlich ist das, weil man es ja normalerweise ja nicht laut sagen darf, dass Klischees passen können.

"Die Alte" nimmt Tschulie in einen esoterisch angehauchte Frauengruppe mit, damit etwas wird aus ihr. Wodka mit Red Bull trinkt dort niemand. Tschulie könnte depressiv werden – seit sie in "Vampire Diaries" gehört hat, was das ist.

Wieder eine feine Entdeckung des kleinen Milena Verlags aus der Wiener Josefstadt. Silvia Pistotnig hat etwas drauf, das man lieben muss. Sprache nämlich. Witz. Und Herz.

Silvia Pistotnig:
„Tschulie“
Milena Verlag.
256 Seiten.
23 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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