Schon davor wurde in den beiden vorab erschienen Songs deutlich, dass der 51-jährige Rapper mit diesem Opus sein Alter-Ego Slim Shady begraben will. Während Eminem im Video zum spaßigen Song „Houdini“ im Superheldenkostüm Jagd auf Slim Shady macht, konnte man im Clip zu „Tobey“ sehen, wie er mit einer Kettensäge auf ihn losgeht.
Freitag ist „The Death Of Slim Shady (Coup De Grâce)“ erschienen und Eminem liefert es mit klarer Anweisung: „Das ist ein Konzeptalbum. Daher könnten die Songs keinen Sinn machen, wenn ihr sie nicht in der Reihenfolge des Albums hört.“
Hochgeschwindigkeit
Es ist aber auch nicht leicht, dem Konzept zu folgen, wenn man alle 13 Songs und die fünf Zwischenspiele gehorsam nacheinander hört. Denn Eminem feuert die Worte in den Äther wie Maschinengewehrsalven – fünf Reime pro Satz, drei Gedanken in einem Atemzug und jede Menge Referenzen an Ereignisse in seinem Leben, an die häufigen Kontroversen in seiner Karriere, an die Streits mit Kollegen, das ausbeuterische Musikbusiness und Pop-Kultur im Allgemeinen.
Man muss schon exzellent Englisch können, die USA gut kennen und sich intensiv mit Eminems Karriere beschäftigt haben, um alles zu verstehen. Mit beeindruckendem Flow rappt Eminem über seine Pillensucht und immer wieder über den Konflikt zwischen dem schwarzhaarigen, bärtigen Mann Marshall Mathers, der er heute ist, und Slim Shady, der ihn berühmt gemacht hat.
1999 erfand Eminem die Figur für das Album „Slim Shady EP“ – einen blassen, blonden Elternschreck, der über Drogen, Sex und Gewalt rappt, ungeniert Frauen diskriminiert, Mitglieder der LGBT-Community und Kollegen beleidigt und die psychisch kranke Mutter, die ihn als Kind misshandelt hat, im Video zu „Cleanin’ Out My Closet“ symbolisch begräbt.
All das kann der Marshall Mathers von heute aber noch genauso. Geläuterte, differenziertere Ansichten oder Altersmilde sind noch immer nicht seine bestimmenden Eigenschaften. Zwischendrin gibt er zu, gerne zu provozieren. Die Rate von Schimpfwörtern, Wutausbrüchen und bitterbösen ironischen Bemerkungen hat sich auch nicht verringert.
Sorry, Kinder
Eine Änderung im Charakter lässt nur das melodiöse „Somebody Save Me“ am Schluss erkennen, bei dem Eminem sich bei seinen Kindern entschuldigt, dass er viele wichtige Momente in ihrem Leben versäumt hat, oder sie ihn zugedröhnt im Badezimmer finden mussten. Jelly Roll liefert dazu mit seiner souligen Gesangs-Stimme den Refrain, in dem er bittet, gerettet zu werden.
Melodiöse Einschübe wie diese machen die Stärke dieses Albums aus. Wie anno dazumal als Slim Shady in seiner erfolgreichsten Phase gibt Eminem den Hörern genug unterhaltsame Hooks, um die Songs als Songs zu mögen, ohne verstehen zu müssen, was er da gerade im Turbotempo erzählt. Eminem hat immer wieder gesagt, dass er vor allem der beste Rapper sein will und jederzeit darauf den Fokus legen würde, anstatt darauf, das beste Album zu machen. Das konnte man seinen Langwerken in den vergangenen Jahren oft anhören.
Hier ist es nur bei den Tracks „Road Rage“ und „Head Honcho“ evident. Ironischerweise kann Eminem nämlich gerade mit „The Death of Slim Shady (Coup De Grâce)“ über weite Strecken musikalisch an das anknüpfen, was die Alben der Slim-Shady-Ära so unterhaltsam und einflussreich gemacht hat.
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