Elke Heidenreich: "Keine Angst, dass das Buch untergeht"

Elke Heidenreich versteht was vom Lesen. Sie hatte von 2003 bis 2008 eine eigene Literatur-Sendung beim ZDF mit dem Namen „Lesen!“, moderierte den „Literaturclub“ im Schweizer Fernsehen und ja, einen von vielen lieb gewonnenen Bestsellern hat sie auch geschrieben („Nero Corleone“ wurde kürzlich als Gratisbuch in Wien verteilt).
Frau Heidenreich, stellt sich also beim KURIER-Interview die Frage, geht es dem Lesen wirklich so schlecht wie man immer hört?
„Das glaub ich gar nicht!“, sagt sie, „die Leute lesen gerne. Gebt ihnen das richtige Futter, und sie lesen. Das sieht man bei den Kindern! Es heißt immer, die lesen nicht. Als Harry Potter herauskam, haben die in zwei Tagen 800 Seiten gelesen. Jeder weiß, dass Lesen tröstet, ablenkt. Wir sitzen da und warten auf verspätete Züge, auf Flüge, sitzen beim Arzt. Soll man da immer nur auf dem Handy rumdaddeln?“
KURIER: Die Versuchung ist groß!
Elke Heidenreich: Das ist das Problem. Ich sehe auch viele Menschen, die nur am Handy rumspielen. Trotzdem habe ich keine Angst, dass das Buch untergeht. Ich glaube, dass die Einheit Mensch, Lampe, Sessel, Buch immer bestehen bleibt.
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Mitten im Interview wird die Autorin und Kritikerin um ein Autogramm gebeten, bei der Aktion „Eine Stadt ein Buch“ in Wien standen die Menschen bei einer Signiergelegenheit lange Schlange. „Das wollen die ja nicht, weil ich Madonna bin!“, sagt Heidenreich. „Sondern weil sie das Buch mögen. Das ist doch eine tolle Aussage.“
Für das Lesen, das Buch nämlich. „Literatur darf ja auch unterhalten! Wir sind keine Schüler mehr, wir müssen uns nicht mehr bilden. Sobald wir eine Geschichte haben, die spannend ist und schön, sind wir gerettet vor schlechter Laune und Langeweile. Das ist doch etwas Wunderbares. Deswegen glaube ich, dass das Lesen immer eine Chance hat. Nicht bei allen, aber bei vielen.“
Instagram wie Patti Smith
Muss die Literatur neue Kanäle nutzen, um neues Publikum zu erreichen? Sie könnte doch auf Instagram Bücher besprechen! „Ich halte mich raus aus den Social Media.“ Wobei: „Ich habe mich jetzt doch bei Instagram angemeldet.“ Warum? „Ich habe das erste Mal geguckt, und im Netz gibt es ganz viele ,Elke Heidenreichs‘, die unter meinem Namen Bücher besprechen.“ Daher hat sich Heidenreich doch einen Account angelegt, inspiriert von Patti Smith: „Ich poste jeden Tag – wie Patti Smith, ich mache ihr das nach und habe auch ihr Buch gezeigt! – ein Bild und einen kleinen Text dazu. Das mache ich gegen diese ,Elke Heidenreichs‘, die im Netz unterwegs sind“ und in ihrem Namen schlechte Bücher empfehlen.
Ihr aktuelles Buch kann man guten Gewissens empfehlen: „Ihr glücklichen Augen“ handelt von Heidenreichs Reisen. „Ich habe meine alten Tagebücher angeguckt. Ich bringe es nicht übers Herz, die wegzuschmeißen. Da ist mir aufgefallen, wie viel und wie gerne ich gereist bin“, erzählt sie. „Ich habe begonnen, das aufzuschreiben – das war in der Coronazeit eine Beschäftigung, die mir viel Freude gemacht hat.“
Apropos: Wie empfanden Sie denn den Umgang mit der Kultur in der Pandemie? „Schändlich! Alles zuzumachen, sechs Stunden Oper gucken mit Masken – das ist alles hysterisch gewesen“, sagt Heidenreich. „Jetzt sehen sie selber, wie schwer es ist, die städtischen Theater und Philharmonien wieder ins Laufen zu bringen. Die Konzerthäuser sind halb leer. Die Menschen sind faul geworden, die saßen zu Hause vor dem Fernseher, haben sich Netflix-Abos gekauft und gesehen, so geht es doch auch. Das geht nicht! Wir müssen an der Kultur teilnehmen. Das ist das, was uns davor bewahrt, Barbaren zu werden.“
Wird das wieder? „Es wird dauern. Es ist etwas zerstört worden, das müssen wir wieder hinkriegen, wie mit der Umwelt, wo wir auch lange gebraucht haben zu merken, wie kaputt sie ist. Wie mit dem Krieg, wo man dachte, in einer Woche ist der fertig. Wir irren uns sehr oft, ich natürlich auch. Aber ich glaube, dass das Bedürfnis nach Kultur, nach Gemeinschaftserlebnissen, wo man hinterher ein Glas Wein trinkt – das sind doch schöne Abende! Ich hoffe von ganzem Herzen, dass das wieder kommt.“
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KURIER: Wie reist man denn erfolgreich?
Elke Heidenreich: Mein Tipp: So wenig Gepäck wie möglich. Eine Frau sollte nie mehr Gepäck haben, als sie selbst in die Gepäckablage heben kann. Ein Pullover, zwei Jeans, ein Kleid, ein paar dicke und ein paar dünne Schuhe, ein bisschen Unterwäsche, ein T-Shirt für Nacht, eines für den Tag, eine Regenjacke, mehr braucht man nicht.
Bücher?
Natürlich! Eine Umhängetasche mit Büchern, Schokolade, Keksen, Wasser, Geld. Früher hatte ich immer eine 60-Watt-Glühbirne dabei, weil in den Hotels am Bett immer so billige Funzeln standen. Da konnte ich nie lesen, also hab ich meine schöne Glühbirne reingeschraubt.
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