Zwei Brüder und zumindest ein Sauschädel

Elizabeth Strout, 57, bekam vor vier Jahren den Pulitzerpreis
"Das Leben natürlich": Hinter dem dummen deutschen Romantitel steckt so viel – eine familiäre Tragikomödie, Rassismus, Politik.

Mit dieser Definition werden wahrscheinlich einige einverstanden sein:

„Du hast eine Frau, die dich hasst. Kinder, die stinksauer auf dich sind. Einen Bruder und eine Schwester, die dich wahnsinnig machen. Einen Neffen, mit dem nie viel los war. So was nennt man Familie.“

Pulitzer-Preisträgerin Elizabeth Strout aus Portland in Maine, USA, macht wieder, was sie seit „Blick aufs Meer“ so auszeichnet: Sie stürzt sich schreiberisch derart kraftvoll ins Alltägliche, dass man nicht widerstehen kann (obwohl man vielleicht bei Familiengeschichten eine kleine Pause einlegen wollte).

Nicht ganz alltäglich ist nur der Auslöser für „Das Leben natürlich“ (was für ein unsinniger deutscher Buchtitel!):

Der 19-jährige Zach hat einen gefrorenen Sauschädel in die Moschee „seines“ Provinzstädtchens in Maine gerollt. Der Sauschädel taute schon auf und blutete etwas. Noch dazu zu Ramadan. Ein sehr blöder Witz in einer Gegend, in der sich immer mehr Flüchtlinge aus Somalia niederlassen. Zach wusste nicht einmal, was Ramadan ist. Jetzt droht man ihm mit einem Jahr Gefängnis.

Zwei Brüder und zumindest ein Sauschädel
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Mutter Susan braucht anwaltliche Hilfe, und sie hat ja in New York zwei Brüder, die sie zwar nicht mag, aber die sind Anwälte: Jim Burgess, sehr erfolgreich, sehr ungut; und Bob Burgess, ein patscherter lieber Verlierer um die 50, der damit leben muss, dass er angeblich als Dreijähriger durch ein Missgeschick den Vater tötete.

Burgess Boys

Die „Burgess Boys“ – das ist der Originaltitel – reiten in ihrer alten triste Heimat ein (und Bob überfährt fast eine Afrikanerin).

Sie sind zweifellos die Hauptpersonen, doch gibt sich eine Schriftstellerin wie Elizabeth Strout nicht mit feinen Charakterzeichnungen und tragischem Humor zufrieden. Von der Familie und ihren Streitereien ausgehend, vergrößert sich das Bild und geht über Amerika hinaus: Immigranten finden keinen Frieden und keine Arbeit, Alteingesessene finden auch keine Arbeit und rennen mit einem Hitler-Baseballkapperl umher.

KURIER-Wertung:

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