"Elisabeth": Ein süßes Apokalyptus-Zuckerl
Über "The Producers" schrieben die Kritiker Hymnen. Aber Mel Brooks’ Musical war in Wien und Berlin ein Flop. Das Publikum blieb aus. "Elisabeth" schrieben die Kritiker nach der Uraufführung 1992 mit Headlines wie "Munter geht die Sisi unter" und "Kaiserinnenschmarren" in Grund und Boden – und 8,5 Millionen Menschen gingen weltweit hin.
Das zum Klassiker gereifte Melancholical von Michael Kunze (Buch) und Sylvester Levay (Musik) über Österreichs unglückliche Kaiserin passt auch zum 20-Jahr-Jubiläum im Raimund Theater zu Wien. Denn das Unheilschwangere, die Todessehnsucht und der heimtückische Mord rücken es dem Zentralfriedhof näher als der Romy-Romantik der 50er-Jahre.
Aber was man als eher klebriges Apokalyptus-Zuckerl erinnert, hat jetzt deutlich weniger Pathos und mehr Witz und Leichtigkeit.
Zauberkasten Bühne
Regisseur Harry Kupfer und Ausstatter Hans Schavernoch wissen, was sie der Schaulust schuldig sind: Alles dreht sich, alles bewegt sich. Kaffeehaustische sausen wie Autoscooter herum. Ein Hutschpferdballett der Monarchisten macht schmunzeln. Callgirls tummeln sich im Karussell. Dekorativ aufflatternde Totenvögel garnieren morbide Szenen. Und über allem hebt und senkt sich eine zur riesigen Feile stilisierte Brücke.
Zur opulenten Optik mit prächtigen Kostümen von Yan Tax und einer raffinierten Lichtregie kommt der Ohrenschmaus: "Ich gehör nur mir", "Elisabeth, mach auf mein Engel", "Die Schatten werden länger" oder "Boote in der Nacht" sind Ohrenschmeichler. Und wenn der kleine Rudolf "Mama, wo bist du" seufzt, sind alle butterweich.
Melodrama
Annemieke van Dam bezaubert durch Jungmädchen-Charme und lyrisches Säuseln in den Balladen, erreicht aber stimmlich kaum die Kraft von Pia Douwes und Maya Hakvoort.
Ihre Todessehnsucht ist stets präsent – ebenso wie der Tod selbst: als Gegenspieler und Vertrauter, Gehasster und Geliebter. Mark Seibert, elegant-verführerisch, gibt dem "süßen Tod" ein sehr männliches Profil.
Ideal besetzt auch Daniela Ziegler (Erzherzogin Sophie) als eine mit allen Bosheits -wassern gewaschene Schwiegermutter. Kurosch Abbasi ist Erzähler und Luigi Lucheni in einer Person: Als Aufwiegler, als Provokateur zwischen Zwielicht und Wahnsinn, als Elisabeths Mörder, obwohl er – Treppenwitz der Geschichte – "eigentlich jemand anderen töten wollte". Und als Zornbinkerl, das den "Kitsch"-Kult um Sisi anprangert. Vergeblich. Denn in der Pause werden aus dem Bauchladen Franz Joseph und Sisi als Quietsch-Entchen verkauft.
KURIER-Wertung: ***** von *****
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