Und als die Idee mit dem Film kam, hab ich sie ganz normal angefragt. Ich hab’ gesagt, ich weiß, dass sie keine Interviews mehr gibt, hab’ auch nie Druck gemacht, sondern ich habe ihr gesagt, ich möchte einen Werkfilm machen. Da hat sie zugestimmt und wir haben ausgemacht, dass ich ihr immer Fragen stellen kann. Erst nur per Mail, dann haben wir uns in München in einem Café getroffen. Wir haben uns sofort verstanden.
Sie ist ja ein extrem scheuer Mensch.
Nicht umsonst, wie man sieht. Das wollte ich halt auch vermitteln in dem Film. Was sie geschaffen hat und was Österreich für eine großartige Künstlerin hat.
Hat sie sich geäußert zu ihrem Verhältnis zu Österreich?
Naja, das ist halt eine Hassliebe. Sie hängt natürlich an Österreich, das ist ihre Kultur. Sie liebt den 8. Bezirk in Wien, wo sie aufgewachsen ist. Aber sie hat so viel Ablehnung erfahren, dass sie auch verletzt ist.
Was war das Konzept des Films? Eine Montage des Werks von Jelinek oder eine persönliche Annäherung?
Eigentlich beides. Beides war mir wichtig. Ich wollte kein klassisches Porträt machen. Ich wollte wirklich in ihr Werk eintauchen. Es gibt so viele Leute, die sagen: Die Jelinek, ich versteh das nicht. Diese Sprache ist so kompliziert, diese Textflächen. Aber ich hab’ das anders erlebt. Ich hab’ ganz schnell festgestellt, dass man diese Texte wunderbar versteht, wenn man sie laut liest. Dass diese Texte einfach einen musikalischen Fluss haben, wie es auch in der Nobelpreis-Laudatio gesagt wurde. Die andere Ebene war, ich wollte gar nicht so weit in ihre Biografie eintauchen, sondern nur die Informationen geben, die wesentlich sind, um in das Werk hineinzukommen.
Ich weiß, dass es hier in Österreich auch ein Bild von ihr gibt, das sehr viel psychologisiert. Dass gesagt wird, die ist von ihrer Mutter unter Druck gesetzt wurde und daraus ergibt sich das und das. Das legt sich manchmal wie ein Schleier über das Werk. Elfriede Jelinek ist aber kein Opfer, sie ist auch nicht unbedingt ein Opfer ihrer Mutter. Sie ist eine ganz kraftvolle, starke Künstlerin. Das wollte ich zum Ausdruck bringen.
Elfriede Jelinek ist eine widerständige, rebellische, manchmal hart wirkende Person, das arbeiten Sie im besten Sinne heraus.
Hart ist sie sicher nicht. Auch wenn man das denkt, weil ihre Texte ja hart sind. Aber sie arbeitet mit vorhandener Sprache. Wenn man zum Beispiel den Text „Lust“ nimmt, meinte sie selbst einmal, dass sie die vermeintlich pornografische Sprache den Konsumenten zurück ins Maul stopft. So macht sie das auch mit Zitaten von den Rechten. Das ist nicht alles ihre Sprache, es sind Sprachmontagen. Sie nimmt Vorhandenes und formt es. Sie ist eine sprachliche Bildhauerin.
Sie lassen berühmte Schauspielerinnen und Schauspieler die Texte Jelineks sprechen. Mögen die die Texte?
Ja, absolut. Die Schauspieler und Schauspielerinnen lieben Elfriede Jelinek. Die sind alle wahnsinnig dankbar, wenn sie diese Texte sprechen können. Alle sagen, dass es unglaublich schwierig ist, sich diese anzueignen. Man muss zu einem Punkt kommen, wo der Text ganz von alleine fließt. Bei Stefanie Reinsperger zum Beispiel, die jetzt „Schwarzwasser“ im Berliner Ensemble gespielt hat: Die endlosen Monologe kriegen bei ihr so etwas Organisches, weil sie Jelineks Sprachduktus kennt. Da nimmt der Text Fahrt auf und läuft von alleine.
Sie gestalten zum Großteil Künstlerinnenporträts. Woher kommt diese Affinität zur Kunstszene?
Ich hatte diese Affinität schon immer. Ich habe schon ganz früh einen Film über Jenny Holzer gemacht, die für mich ähnlich wie Elfriede Jelinek arbeitet, indem sie Sprache exponiert. Sie macht das halt auf visuelle Art, aber sie ist auch eine hochpolitische Künstlerin. Jelinek ist für mich persönlich ja auch nicht unbedingt Schriftstellerin und Theaterautorin, sie ist für mich fast wie eine bildende Künstlerin. Wie sie vorgeht, das ist für mich vertraut, das kenne ich aus der visuellen künstlerischen Arbeit.
Wen haben Sie als nächstes für ein Porträt auserkoren?
Ich darf es nicht laut sagen, weil das ist noch nicht durch bei ARTE, aber ich möchte seit Jahren einen Film über die US-Schriftstellerin Carson McCullers machen. Da geht es um Rassismus, um ihr Werk „The Heart is a Lonely Hunter“, da geht’s um Ausgeschlossene aus der Gesellschaft. McCullers war eine ganz schillernde Figur war, aber leider nicht richtig bekannt, zumindest in deutschsprachigen Ländern. Sie ist ein Stück amerikanischer Geschichte, aber auch hochaktuell, weil es geht um Rassismus und die Wurzeln von Rassismus. Ihr Werk spielt in den Südstaaten, McCullers ist in Georgia aufgewachsen und sie beschreibt, wie sie als kleines Kind schon beobachtet, wie sich die Ausgrenzung einschleicht. Da kann man ganz viel daraus schöpfen.
„Elfriede Jelinek. Die Sprache von der Leine lassen“ läuft am 10. November in den österreichischen Kinos an.
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