Ela Angerer: Verwahrlost bei Kaviar, Foie gras und Champagner

Schrecklich ruhig: die ehemalige KURIER-Redakteurin Ela Angerer
"Bis ich 21 war". Das schreckliche Romandebüt der Wiener Autorin und Fotografin über die eigene Kindheit und die selbstzerstörerische Befreiung.

Ein Mädchen sitzt im Schloss. Hat es Hunger, geht es in den Keller und holt sich eine Kaviar oder Foie gras mit einer Trüffel in der Mitte. Direktimport aus Frankreich. Dann tunkt es altes Brot ein bzw. belegt es mit dicken Scheiben und öffnet eine Flasche Champagner.

Gern würde die 13-Jährigen normales Essen aus dem Eiskasten nehmen. Aber der Eiskasten ist leer.

Gern hätte sie eine Mutter, einen Vater. Aber die Mutter und der Stiefvater (= "der Cadillacfahrer") sind entweder Bridge spielen gegen Omar Sharif oder auf den Seychellen.

Ohne Kinder. Auch, wenn das Mädchen oder eines seiner Geschwister Geburtstag hat. Ist eh ein Kindermädchen im Schloss. Ein Gärtner. Eine Büglerin. Mehrere Putzfrauen. Kommt eh die Schneiderin is Extra-Nähzimmer.

Ist eh nicht notwendig, dass es Liebe gibt.

Püppchen

Ela Angerer: Verwahrlost bei Kaviar, Foie gras und Champagner
buch

Ela AngerersRomandebüt "Bis ich 21 war" beschreibt eine Verwahrlosung im Luxus. Es ist ein großteils autobiografischer Roman der Wiener Autorin und Fotografin, die heuer 50 wird und sich ungeschützt vor uns stellt.

Das Buch hätte alles Notwendige für eine Provokation. Denn wer allen egal war und bloß hübsch angezogen bei Tisch sitzen musste und mit einem Knicks Gäste zu begrüßen hatte ... wer in einem Zimmer mit Biedermeier-Porzellanpüppchen aufwuchs, in einer Lieblichkeit, die von Erwachsenen arrangiert wurde ... wer absolut nicht vor hat, später auf Kreuzfahrtschiffen die Zeit totzuschlagen – der muss doch explodieren.

Und so wird es zum Erinnerungsbuch über die Zeit, bis sie 21 war. Über Drogen inkl. Heroin; und Sex, auch lesbischen; und über Kafka, unbedingt Kafka. Andere hätten daraus ein skandalträchtiges Buch gemacht. Ela Angerer aber erzählt "nur", schrecklich ruhig, analytisch, während sie alte Fotos durchschaut. Bestimmt lässt sie noch Schlimmeres ruhen.

Wie sie sich befreit hat, hätte man gern genauer erfahren. Allein der Duft von "Steinen, auf die die Sonne schien" wird’s wohl nicht gewesen sein.

KURIER-Wertung:

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