Eine Museumssammlung als Dating-Agentur

Bruno Gironcoli, Ohne Titel (gelbe Madonna), 1975–1976
Die Schau „Flirting With Strangers“ schlägt neue Pfade in die Sammlung des Belvedere.

Welche Freude muss es sein, in den Kunst-Beständen des Belvedere wühlen zu dürfen, und zugleich: welcher Horror. Denn das „Bundesmuseum für österreichische bildende Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ – so die Definition des Gesetzgebers – hatte lange keine klare Prioritätensetzung und keine Schauräume für zeitgenössische Kunst. Direktorin Agnes Husslein forciert seit 2007 die Zeitgenossen und setzte die Adaptierung des „21er Hauses“ durch. Doch die Bestände einschlägiger Kunst sind lückenhaft und durch höchst verschiedene Beweggründe und Interessen ans Museum gelangt.

Das Kuratoren-Duo Severin Dünser und Luisa Ziaja konnte also fast nicht anders, als bei ihrer Präsentation der Zeitgenossen-Bestände (bis 31. 1. 2016) auf Anordnungen entlang von Themen oder Stilen zu verzichten.

Eine Museumssammlung als Dating-Agentur

Gelatin, Mona Lisa, 2007
Plastilin auf Holz
77 × 51.5 × 8 cm
© Artothek des Bundes
Die Idee, Kunstwerke stattdessen einfach aufeinandertreffen zu lassen, geht nicht zuletzt aufgrund des ästhetischen Gespürs der Kuratoren auf: Durch ein luftiges Arrangement von Stellwänden unterteilt, entstehen im großen Saal des 21er Hauses immer wieder Konstellationen, in denen frische Bezüge zwischen Künstlern und Kunstepochen möglich werden. Geometrische Abstraktionen eines František Kupka, gemalt zwischen 1935 und 1946, treffen da etwa auf gekonnt „unregelmäßig“ gestaltete Gitterstrukturen von Svenja Deininger (2010); die grobe Physiognomie in einem Porträt von Lovis Corinth (1924) misst sich mit einer Mona-Lisa-Paraphrase aus Plastilin der Kunst-Gruppe Gelatin (2007).

Tische und Tiere

Verwandtschaften individueller künstlerischer Praktiken sind dabei meist erhellender als Motive, entlang derer sich manche Teile des Kunst-Kaleidoskops sammeln: Man sieht viele Tische, Schuhe und nackte Männer, und es gibt auch eine „Tierecke“ mit einem Bronze-Pferd von Herbert Boeckl und einem Hundebild von Georg Baselitz.

Eine Museumssammlung als Dating-Agentur

Damien Hirst, Love Love Love, 1994–1995
Glanzlack und Schmetterlinge
auf Leinwand in Originalrahmen
Dauerleihgabe Heidi Horten/ (c) Bildrecht, Wien, 2015/16

Bei allen Querbezügen bleibt die disparate Natur der Kunst-Bestände in der Schau aber offensichtlich: Förderankäufe des Bundes, gesammelt in der eingegliederten „Artothek“, finden sich hier Seite an Seite mit einem Schmetterlings-Bild des Kunstmarkt-Zampanos Damien Hirst, das die Milliardärin Heidi Horten dem Museum als Dauerleihgabe überließ. Was diese Sammlung einmal über die Kultur Österreichs aussagen wird, möge bitte die Nachwelt erläutern.

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