Eine masochistische Komödie nach Buñuel

Eine masochistische Komödie nach Buñuel
Frei nach Buñuel: Martin Wuttke zeigt im Burg-Kasino sein Stück "Nach der Oper. Würgeengel". Sonntag ist Premiere.

Wie ketzerisch ist das?
Da legt ein Regisseur seine Sichtweise eines Werks eines anderen Regisseurs dar – wohl wissend, dass dieser andere (weil 1983 in Mexiko kremiert) in der Urne aufwirbeln würde, wüsste er, dass man ihn "interpretiert".

Filmemacher Luis Buñuel hat "Sichtweisen" auf sein Schaffen mit geradezu diebischer Freude stets die Blickwinkel verstellt. Burgschauspieler Martin Wuttke legte nun trotzdem sein Augenmerk auf Buñuels 1962 entstandenes Meisterwerk "Der Würgeengel". Er inszeniert es im Kasino des Hauses. Hat dem Titel ein "Nach der Oper" vorangestellt und das Ganze "Eine masochistische Komödie" genannt.

Jelinek bis Woody

Allen Das Stück werde "keine Filmadaption fürs Theater, sondern eine Erweiterung", erklärt er. Eine Reverenz, wie es sie von Elfriede Jelineks "Rechnitz (Der Würgeengel)" bis zu Woody Allens "Midnight in Paris" gibt. "Eigentlich", so Wuttke, "ist unsere Arbeit wie eine Recherche zum Film. Ich folge Konstruktionen, die Buñuel vorgeschlagen hat, hangle mich an seinen Spuren entlang."

Diese Spuren zu lesen ist eigentlich einfach
– unmöglich.

Da versammelt sich eine illustre Abendrunde zum Nach-der-Oper-Souper im Salon eines reichen Gastgebers, um alsbald festzustellen, dass sie den Raum nicht mehr verlassen kann. Die Dienerschaft, bis auf Majordomus Julio, haut zwischenzeitlich ab. Die Gäste werden je nach Temperament zunehmend lethargisch, panisch oder geladen.
Es gibt Tote. Ein ferner Verwandter von Gomez Addams’ "eiskaltem Händchen" wird mit einer Vase erschlagen. Eine Herde Schafe verirrt sich in die gar nicht mehr gute Stube – und wird bis auf die Knochen abgenagt ...

Aus, deutet Wuttke.

Unterbricht den Versuch einer Inhaltsangabe. Lacht. Er wird keine Tiere durchs Kasino treiben. "Das erspare ich mir. Und den Schafen."

Buñuel, sagt er, tauche in seinem Leben immer wieder auf. Bilder, die sich einbrennen, sich aufdrängen, ihn "verfolgen". Im Sinne von: großen Nachhall haben.
Diesmal hatte er bei sich zu Hause zwar einen ganz anderen Film gesucht, im Regal aber zuerst den "Würgeengel" entdeckt. Und "wieder mal" reingeschaut. Und "es" plötzlich gesehen. Dass da eine Gesellschaft aus der Stimulanz der Oper, der Erfahrung eines Theaterabends nicht mehr rauskommt.
Das ist es, was den Theatermann beschäftigt.

Von Donizetti zu Wagner

Wobei er die von Buñuel bevorzugte "Lucia di Lammermoor" gegen Wagners "Tristan und Isolde" tauschte. Die Buñuel wiederum 1930 in "L’âge d’or" verwendete ...
Regisseur Wuttke bewegt diesmal ein üppiges Ensemble aus Schauspielern und Sängern. 22 Köpfe plus ein ganzes Orchester.
Was daraus entstehen soll?

Eine bösartig-morbide, humorvolle Aufführung: "Motive des Melodrams vermischt mit analytischen-dokumentarischen Elementen, darauf eine komisch-absurde Szene." Dass er nicht mitwirkt – wo doch die Figur Julio wie für Wuttke erfunden scheint –, darüber tröstet er sich mit zwei Sätzen hinweg:

"Regisseur zu sein ist halt ein anderes Vergnügen, als selber rumzuspringen. Und letzten Endes hab’ ich in dieser Funktion ja ein bisschen an allen Rollen teil."

Zum Stoff: Buñuel gibt’s nun für die Bühne

Luis Buñuel (1900–1983) ist einer der herausragendsten Vertreter des surrealistischen Films. Zentrale Themen seines Werks sind der Kampf gegen ein in sinnloser Wiederholung erstarrtes Bürgertum und Kritik an der Kirche. Um dem Franco-Regime zu entgehen, arbeitete Buñuel einige Jahre in Mexiko, wo u. a. "Der Würgeengel" entstand. Andere Werke: "Ein andalusischer Hund", "Belle de Jour", "Der diskrete Charme der Bourgeoisie".

Martin Wuttke Schuf nach Buñuel-Motiven sein Stück "Nach der Oper. Würgeengel". In seiner Inszenierung spielen u. a. Andrea Clausen, Maria Happel, Bibiana Zeller, Ignaz Kirchner, Peter Matić und Branko Samarovski. Es gibt vier Opernsänger und ein Orchester.

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