Eine Hainbuche für Nobelpreisträger Coetzee im Waldviertel

Eine Hainbuche für Nobelpreisträger Coetzee im Waldviertel
Der Romancier von Weltrang adelte das Festival „Literatur im Nebel“ in Heidenreichstein.

An zwei Tagen im Jahr wandelt sich die etwas mehr als 4.000 Seelen zählende Stadtgemeinde Heidenreichstein im nördlichen Waldviertel in einen eigenen Kosmos: Das ist die Zeit, in der Rudolf Scholten zu seinem erlesenen Festival „Literatur im Nebel“ lädt. Wenn er ruft, dann kommen sie alle.

Das ist seit 2006 so, als die Literaturgeschichte in die örtliche Margithalle mit Salman Rushdie Einzug hielt. Literaten der Weltelite, wie Herta Müller, Ian McEwan und Jorge Semprún, um nur einige zu nennen, waren schon da.

Bei der 13. Ausgabe stand in diesem Jahr eine Premiere an: Erstmals war der Literaturnobelpreisträger des Jahres 2003 John Maxwell Coetzee (man spricht ihn Kuzie aus) in Österreich zu erleben. Der 1970 in Kapstadt geborene Schriftsteller, der in seinem Roman „Schande“ unsentimental die Zeit nach der Apartheid in Südafrika erforscht hat, mit seinem knappen, mitunter sogar harsch-ironischem Stil seiner Literatur fasziniert, erstaunt im wirklichen Leben als zurückhaltender Gentleman.

Kein Smalltalk

Als würde jener Satz aus seiner Nobelpreisrede „There is too much speech in the world“ („Es wird auf der Welt zu viel geredet“) auch für sein Leben gelten, meidet er Interviews und Smalltalk. Seine Auftritte in der Öffentlichkeit sind rar – wie das Gespräch mit seinem Lektor Hans Balmes vor den 1.300 Besuchern.

Wie er dabei seine Stimme gegen Globalisierung erhob und erklärte, wie sich dieses Phänomen auch in der Vernichtung zahlreicher kleiner Sprachen durch das Englische manifestiert, war ein Grund mehr für ihn, sich von dieser Sprache zu distanzieren. Seinen Dank sprach er den Initiatoren, Rudolf Scholten und seinem Team, dann auch in korrektem Deutsch aus.

Bewegend brachte der Tierschützer Coetzee seine Anliegen zu Gehör und parlierte eloquent über Robert Musil und Sigmund Freud.

Sternstunden wie diese zeichnen das Festival aus. Denn anders als inzwischen auch im Literaturbetrieb üblich, legt man in Heidenreichstein Wert auf die Qualität tiefgründiger Auseinandersetzungen. Neben Lesungen aus Coetzees zentralen Romanen durch namhafte Bühnengrößen, u.a. Elisabeth Trissennaar, Elisabeth Orth, Peter Lohmeyer und Petra Morzé, erschlossen Übersetzerin Reinhild Böhnke und Literaturwissenschaftler Jan Wilm den literarischen Kontinent dieses Autors.

Verwurzelt

Bevor Coetzee zum Abschluss mit Corinna Kirchoff aus seinem unveröffentlichten Roman „Der Tod Jesu“ las, folgte er der Tradition des Festivals, die ihn in den nahegelegenen Naturpark führte. Dort widmete man ihm, wie allen Autoren, einen Baum. Ihm hatte man eine Hainbuche zugedacht. Der stille Baum aber konnte offensichtlich selbst Coetzee zum Gespräch überreden: In seiner Wahlheimat Australien habe er bereits Zitrus-, Pflaumenbäume und eine dort einheimische Sheoak gesetzt. Möge der literarische Wald in Heidenreichstein weiter wachsen.

- Susanne Zobl

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