Ein "Street View" im 19. Jahrhundert

Ein "Street View" im 19. Jahrhundert
Der Medienpionier Alois Auer dokumentierte den Abriss der Wiener Stadtmauern und vieles mehr. Nun ist ihm eine Schau gewidmet.

Heutzutage wäre er vermutlich Start-Up-Unternehmer im Silicon Valley und würde bei potenten Geldgebern mit kühnen Plänen zu revolutionären Medien-Anwendungen vorsprechen. Doch Alois Auer lebte von 1813-1869, im Zeitalter des Biedermeier, in Wien. Was ihn nicht daran hinderte, mit der Unterstützung des Staatskanzlers Fürst Metternich Karriere zu machen und moderne Entwicklungen voranzutreiben.

Das Photoinstitut Bonartes in Wien zeigt nun eine kleine, höchst interessante Ausstellung, die Alois Auers Wirken anhand ausgesuchter Exponate veranschaulicht. Bereits im Alter von 28 Jahren wurde Auer zum Direktor der k.u.k. Hof- und Staatsdruckerei ernannt, er sollte das Unternehmen modernisieren und zu einem für seine Zeit vorbildlichen "Medienhaus" umbauen. Dafür ließ er sich jenen "Wunderkasten" bauen, der auch der Ausstellung den Titel gibt: Eine kleine Schatulle, in der Proben aller damals verfügbaren Drucktechniken enthalten waren und die Auers Medien-Vision gegenüber Auftraggebern veranschaulichte.

Fotografie, blutjung

Neben den von Auer so genannten "Naturselbstdrucken", bei denen gepresste Blätter, Pflanzen oder Tiere selbst als Druckformen eingesetzt wurden, waren es vor allem Reproduktionen mikroskopischer Aufnahmen und die damals blutjunge Fotografie, mit der sich Auers Staatsdruckerei einen Namen machte. Ein ganz besonderes Projekt war hierbei die Dokumentation der Wiener Befestigungsanlagen: 1858, kurz bevor die Stadtmauern für den Bau der Ringstraße abgerissen wurden, erhielt Auer den Auftrag, die Bauten bildlich festzuhalten.

Dabei entwickelte Auer genaue Anweisungen, aus welchen Perspektiven und von welchen Standpunkten aus die Fotos anzufertigen seien. Die Resultate, von denen einige in der Schau zu sehen sind, erlauben genaue Vergleiche zwischen dem "Vorher" und dem "Nachher".

"Wenn genügend Fotografen eingesetzt würden", fabulierte Auer schon damals, könne diese Dokumentation auf den ganzen Globus ausgedehnt werden. Dies sollte allerdings eine kühne Utopie bleiben: Erst 150 Jahre später wurde das Projekt von einem einstigen Start-Up-Unternehmen namens Google mit dem "Street View"-Feature tatsächlich realisiert.

Ein "Street View" im 19. Jahrhundert

Ein "Street View" im 19. Jahrhundert

Ein "Street View" im 19. Jahrhundert

Ein "Street View" im 19. Jahrhundert

Ein "Street View" im 19. Jahrhundert

Ein "Street View" im 19. Jahrhundert

Ein "Street View" im 19. Jahrhundert

Ein "Street View" im 19. Jahrhundert


Info

Der Wunderkasten des Alois Auer. Die Vereinigung der photo-graphischen Künste 1852. Bis 15. Juli 2015, Photoinstitut Bonartes, Seilerstätte 22, 1010 Wien, Voranmeldung erbeten unter 01/2360293-40

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