Ein Starpianist und ein britischer Blick auf Brahms und Beethoven
Von Susanne Zobl
Das muss dem isländischen Pianisten Víkingur Ólafsson einmal wer nachmachen: keine drei Monate nach seiner Einspielung von Bachs Goldberg-Variationen konnte er 20 Mio. Streams verbuchen. Das war 2023. Inzwischen erreichen seine Aufnahmen fast eine Milliarde Zugriffe. Zu den Orchestern mit den meisten Streams zählt das London Philharmonic Orchestra. Es ist derzeit mit Ólafsson auf Tournee, die sie auch in den Wiener Musikverein führte, wo dem Pianisten eine Konzertreihe gewidmet ist.
Dirigent Edward Gardner eröffnete mit einem Brachialakt. Mit voller Wucht hebt er Brahms’ 1. Klavierkonzert an und demonstriert das Gigantische des Kopfsatzes. Mit Verve wirft sich das LPO in die herb tönenden Klangfluten. Ólafsson intoniert seinen Solopart wie eine Art Kontrastprogramm, konsequent hält er an seiner eigenwilligen Lesart fest. Seine harten Anschläge klingen oft wie Wassertropfen, die auf eine glatte Oberfläche auftreffen, in weiten Passagen lassen sie auch an ein Glasperlenspiel denken.
Fingerfertigkeit
Die solistischen Passagen haben etwas Deklamatorisches. Ólafsson kehrt seine phänomenale technische Fingerfertigkeit hervor, was auf Kosten von Emotionen und Poesie geht, ihm aber Jubel verschafft. Wenn er dann vor der Zugabe auf Deutsch sagt, „ich weiß nicht, was ich spielen soll“, lässt dieser sympathische Künstler über seine Brahms-Interpretation hinwegblicken. Mit einer Rameau-Bearbeitung erspielt er sich weitere Bravos.
Ohne bemerkenswerte Vorkommnisse lassen dann die Londoner Beethovens Dritte, die „Eroica“, aus ihrem britischen Blickwinkel folgen und werden nach einer Zugabe, Sibelius’ „Valse triste“, akklamiert.Susanne Zobl
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