„Ein Museum ist eine Zauberkiste“, sagt Huang Po-Chih. „Wenn es dir gelingt, hier etwas hineinzuschmuggeln, dann gewinnt diese Sache an Wert, und die Leute öffnen ihre Augen und schauen auf Details.“
Der taiwanesische Künstler hat also, neben anderen Dingen, eine Ladung Jeanshemden ins Museum geschmuggelt. Sie hängen an einer langen Stange in jenem Schauraum, den das Wiener mumok regelmäßig jüngeren, zeitgenössischen Kunstschaffenden widmet.
Vordergründig nicht anders als jene Textilien, die millionenfach in den Shops und Märkten der Welt zu finden sind, beginnen die Hemden bald eine ausführliche Geschichte zu erzählen: Denn sie entstanden in einem langfristigen Projekt, mit dem der 1980 geborene Künstler das Schicksal seiner Familie, seiner Heimat Taiwan und deren Position in der globalisierten Wirtschaft greifbar zu machen versucht.
Huangs Mutter, so erzählt der Künstler, war fast fünf Jahrzehnte als Fließbandarbeiterin in Taiwans Textilindustrie beschäftigt; 2008 wurde sie plötzlich gekündigt. „Wo sind die Fabriken hingezogen?“ – „Nach Shenzhen!“ ist auf einem der Poster zu lesen, in denen Huang schrittweise seine Erkundung der Familiengeschichte preisgibt.
Kunst am Fließband
Taiwan, lange Zeit als Billiglohnland zur Produktion westlicher Konsumgüter favorisiert, wurde zuletzt selbst von Outsourcing-Bewegungen überrollt. Als der Künstler 2014 bei den Kunstbiennalen in Shenzhen und Taipeh als Teilnehmer geladen war, beschloss er daher, eine symbolische Brücke zu bauen, und errichtete in beiden Städten temporäre Textilmanufakturen. Dort entstanden die blauen Hemden, die nun im Museum hängen. „Meine Mutter hatte ihr Leben als gescheitert begriffen. Das Projekt gab ihr eine andere Perspektive“, sagt der Künstler.
Huangs Strategie, die Menschen hinter den Waren aus der Anonymität zu holen, funktioniert auch dank Fotografien, die rund um die Textilien platziert sind. Sie zeigen einige Protagonisten der vom Künstler recherchierten Erzählung – die Mutter in verschiedenen Lebensaltern, eine Tante aus Shenzhen – und platzieren sie in einem Kontext, der allerdings einer Erklärung bedarf. Einmal posiert die Mutter etwa in der Elefanten-Pose, in der sie mit dem Arm einen Rüssel nachahmt: Das sei, so Huang, eine Anspielung auf den Elefanten Lin Wang, der nach dem chinesischen Bürgerkrieg 1949 vom General Chiang Kai-Shek nach Taiwan verbracht und als Nationaltier gepflegt worden war.
Als Huangs Mutter später in der Textilfabrik am vielfach beschworenen Aufschwung Taiwans schuftete, kam sie oft mit angeschwollenen Beinen und Händen nach Hause. Und weil ihre Hände vom Denim-Stoff blau waren, bezeichnete sie sich scherzhaft als „blauen Elefanten“.
Multidimensional
Auch die Ausstellung im mumok, die weiters noch einen Film umfasst, trägt nun diesen Titel. Bei aller Abstraktion, die zwischen Büchern, Postern sowie den blauen Hemden schon einiges an Rekonstruktionsleistung verlangt, hallt sie lange nach. Die Produktaufschrift „Made in Taiwan“ hat danach nicht mehr dieselbe Bedeutung wie vorher. Bis 27. 2.
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