Ein Kunstschatz mit Leerstellen

Ansicht der Wiener Hofburg mit dem alten Burgtheater, 1883. Hitler selbst kopierte diese Ansicht mehrfach.
München zeigt erstmals seine Rudolf-von-Alt-Sammlung, die aus Beständen der Nazis stammt

Wenn man Rudolf v. Alts Werke besichtigt“, schrieb die Deutsche Allgemeine Zeitung anlässlich einer Albertina-Ausstellung im Juli 1938, „dann glaubt man förmlich den Funken zu spüren, der von ihm auf das Künstlerische des sechzehnjährigen Adolf Hitler übersprang.“

Dass der verhinderte Künstler aus Braunau am Inn den berühmten, zeitlebens enorm produktiven österreichischen Maler (1812–1905) schätzte, erkennt man schon daran, dass Hitler Alts Ansicht des Michaelerplatzes (großes Bild) öfters kopierte.

Bildbelege dafür sind aber nur eine Randnotiz in der Ausstellung, die die Staatliche Graphische Sammlung München (SGSM) bis 11. Oktober in der dortigen Pinakothek der Moderne zeigt. Im Zentrum steht eine Auswahl aus jenen 617 Werken Rudolf von Alts, rund 200 Aquarellen und 400 Zeichnungen, die das Museum seit 1959 besitzt und nun erstmals präsentiert. Es ist die größte Alt-Sammlung außerhalb Österreichs.

Bewusst verschwiegen

Man könnte „fast den Eindruck gewinnen“, die Herkunft des Bestandes sei „in München lange Zeit bewusst verschwiegen worden“, schreiben die Kuratoren am Beginn der Schau: Die umfangreichen Bestände stammten allesamt aus jener „Sammlung“, die unter der Ägide des Reichsleiters der NSDAP Martin Bormann (1900–’45) zusammengerafft worden war.

Zahlreiche Spuren des Münchner Bestandes führen zurück nach Österreich. Denn Hitlers Beauftragter Ernst Schulte-Strathaus hatte im Jahr 1938 in einer groß angelegten Aktion große Mengen von Alt-Bildern in Wien „eingekauft“. Der größte „Coup“ gelang ihm, als er von Louise Alt, der damals bereits betagten Tochter des Künstlers, rund 400 Blätter erstand.

Zum genauen Ablauf dieses Geschäfts konnten die Münchner Forscher erstaunlicherweise keinerlei Dokumente finden, wie Meike Hopp, die den Fall recherchierte, auf KURIER-Anfrage bestätigt.

Dass die Künstlertochter, die laut Zeitzeugen finanzielle Not litt, vom NS-Agenten mit „einer großzügig bemessenen Leibrente aller wirtschaftlicher Sorgen enthoben“ worden sei – wie der Kunsthändler Christian M. Nebehay berichtete – sei nicht belegbar, erklärt Hopp; dass die Nazis Louise Alt die Sammlung „abgenötigt“ hätten, wie es in einem späteren Dokument des Bundesdenkmalamts hieß, ließ sich laut Hopp durch die untersuchten Dokumente ebenso wenig erhärten. Allerdings harren noch etliche Quellen genauerer Bearbeitung.

Blind für Raubkunst

„Ob unter den Privatleuten (...) Juden waren, weiß ich nicht. Jedenfalls war ich mir dessen nicht bewusst“, gab Hitlers Einkäufer Schulte-Strathaus im Jahr 1949 noch zu Protokoll. „Von einem Druck auf die Verkäufer meinerseits zu reden, ist sinnlos.“ In Wirklichkeit stöberten die NS-„Sammler" aber sehr wohl in zahlreichen Fällen in den „Vermögensanmeldungen“ von jüdischen Sammlern und bauten – oft mit Hilfe von Museen und dem Denkmalamt – Druck für Zwangsverkäufe auf.

Ein Kunstschatz mit Leerstellen
Das Arbeitszimmer des Künstlers, 1905: Das letzte Bild des greisen Meisters ist heute ein Restitutionsfall.
Ein Bild, das derart unter Zwang veräußert wurde, war Alts letztes Aquarell, eine Ansicht seines Ateliers in der Wiener Skodagasse, in das der greise Künstler ein Selbstporträt einfügen wollte – dazu kam es nicht mehr, es blieb eine Leerstelle im Bild.

Karl F. Mautner, der Sohn des einstigen Besitzers Stephan Mautner, erkundigte sich 1947 im „Central Collecting Point“ (CCP) in München, wo die zuvor u. a. in Altaussee gelagerten Kunst-Bestände der Nazis gesammelt worden waren, nach dem Blatt. Obwohl sich das Bild im CCP befand, wurde es nicht gefunden. Noch 1981, als Mautner das Werk in einem Buch erblickte und sich erneut meldete, wurde er von der Graphischen Sammlung bloß vertröstet. Erst jetzt ist das Bild Gegenstand eines Restitutionsverfahrens.

2011 wurde das bisher einzige Werk aus den Münchner Sammlungen restituiert – neben dem genannten Atelierbild sind derzeit noch zwei weitere Fälle, u.a. aus einstigem Besitz der Wiener Familie Zuckerkandl, in Bearbeitung, erklärt Kunsthistorikerin Meike Hopp.

Die einstige Kunst-Ansammlung des „Reichsleiters“ Bormann umfasste allerdings um die 800 Alt-Blätter, von denen rund 100 heute als verschollen gelten. Einige Werke tauchten mitunter im Handel und auf Auktionen auf, sagt Hopp. „Ich bin mir sicher, dass über derartige Wege das ein oder andere Blatt auch an österreichische Museen gelangte.“

Rudolf von Alt (1812–1905) war für Landschafts- und Stadtansichten bekannt, die er häufig mehrfach malte.
1938 kauften NS-Agenten auch Alt-Bestände aus dem Belvedere auf – sie wurden 1949 rückgeführt und lagern heute in der Albertina.

1952 kamen weitere Alt-Werke aus München nach Österreich und wurden teilweise an Erben enteigneter Sammler restituiert. Restbestände blieben lange in der Kartause Mauerbach verwahrt, 1996 versteigerte man sie. Seit 1998 wurden neun Alt-Blätter aus Bundesbesitz restituiert.

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