Ein Kunsthändler narrt sein Opfer
Aus Georg Pallanich spricht die Verzweiflung. "Das ist alles Lug und Betrug." Pallanich, 62, Kunsthändler, betreibt eine Gallerie in Prag und hat ein Depot in Wien. Im Juni des Vorjahres wurde er in seinem Lager in Wien-Favoriten ausgeraubt. Dreizehn Bilder im Wert von 270.000 Euro nahmen die Täter mit.
Pallanich kennt den mutmaßlichen Drahtzieher hinter dem Coup seit Jahrzehnten. Würde der Beschuldigte verurteilt werden, dann bekäme Pallanich seine Gemälde auch bald zurück. In einem Strafprozess würde ein Richter dem 62-Jährigen die Gemälde zusprechen. Immerhin: "Das ist mein Eigentum. Ich habe Rechnungen und Kopien der Bilder."
Dazu dürfte es aber nicht all zu bald kommen. Der Beschuldigte, sein langjähriger Geschäftspartner Dr. N., ist zwar fit genug, um bei einem spektakulären Kunstraub samt Entführung und Nötigung in der ersten Reihe gefilmt zu werden, jedoch zu krank für einen Strafprozess. Die Staatsanwaltschaft Wien setzte den deutschen Staatsbürger wegen Haft- und Verhandlungsunfähigkeit auf freien Fuß. In Deutschland kam N. auf die gleiche Art und Weise bei zwei Verfahren davon. Befund der Ärzte: eine Herzschwäche.
Christof Dunst, der Rechtsanwalt Pallanichs, will die Geschichte vom kranken Verdächtigen nicht glauben. "Es gibt Zeugen, die belegen, dass der Verdächtige eine Erkrankung vortäuschen kann." Für Dunst mutet es komisch an: "Die psychische Anspannung für einen Kunstraub hält der Verdächtige aus, für einen Verhandlung aber nicht?"
Auf den Filmen der Überwachungskameras aus Pallanichs Depot auf der Grenzackerstraße in Wien-Favoriten vom 23. Juni des Vorjahres wirkt N. sehr entspannt. Man sieht, wie er gemeinsam mit vier Männern Pallanich und seinen Chauffeur empfängt. Der Kunsthändler muss N. den Zugangscode übergeben. Danach zeigen die Bilder, wie N. mehrmals mit den Gemälden unter den Armen das Depot verlässt. Pallanich war in der Zwischenzeit abgelenkt worden. Drei Stunden lang fuhren drei Männer mit ihm in seinem Geländewagen im Kreis, drohten ihm, hielten ihm einen Elektroschocker an, damit er einen Schuldschein über 140.000 Euro zugunsten von N. unterschreibt.
N. und ein Komplize wurden bald ausgeforscht und von den deutschen Behörden ausgeliefert. Pallanich sprach danach persönlich beim zuständigen Staatsanwalt in Wien vor: "Dr. N. ist pumperlgesund. Er täuscht eine Herzkrankheit vor." Antwort: "Gut, dass Sie mir das sagen." Wochen später war der Hauptverdächtige frei.
Beim Prozess im Juni war nur der Komplize angeklagt. Er gab zu Protokoll: "Er ( Anm. Dr. N. ) hat dafür eine eigene Atemtechnik, um eine Herzkrankheit zu simulieren. Das kann er auf Knopfdruck."
Bei der Staatsanwaltschaft Wien heißt es knapp: "Das Prozedere sei ganz klar." N. wird erneut begutachtet und, sofern sich sein Gesundheitszustand bessert, dann der Prozess gemacht.
Damit rechnet Pallanich aber nicht mehr. "Ich muss nun über den Zivilrechtsweg prozessieren, damit ich meine Bilder kriege." Ein langwieriges Unterfangen, denn N. beharrt darauf, der rechtmäßige Eigentümer der Kunstwerke zu sein. Auf eines könnte der Kunsthändler noch länger warten: "Ich will schon auch Gerechtigkeit."
Von Wien bis Rio: Die spektakulärsten Kunstdiebstähle
Eine Chronologie der spektakulärsten Kunstcoups in den vergangenen 20 Jahren:
20. Mai 2010Aus dem Museum für moderne Kunst der Stadt Paris werden fünf Meisterwerke von Picasso, Matisse, Braque, Leger und Modigliani im Wert von 500 Millionen Euro gestohlen.
7. Februar 2008Aus einer Ausstellung in Pfäffikon am Zürichsee werden zwei Picassos gestohlen. Der spanische Maler ist das beliebteste Ziel von Kunstdieben. 2007 wurden aus der Pariser Wohnung einer Picasso-Enkelin drei Gemälde ihres Großvaters im Wert von rund 50 Millionen Euro entwendet. Die Polizei verhaftet die Diebe, als sie versuchen, die Bilder zu verkaufen.
25. Februar 2006 Mitten im Karnevalstrubel rauben Unbekannte ein Museum in Rio de Janeiro aus. Sie verschwinden mit vier Bildern von Picasso, Dali, Monet und Matisse im Wert von 40 Millionen Euro.
22. August 2004 Mit Waffengewalt entwenden zwei Kunsträuber die weltberühmten Bilder "Der Schrei", der bereits 1994 gestohlen wurde, und "Madonna" von Edvard Munch (1863–1944) – Schätzwert knapp 100 Millionen Euro – vor den Augen entsetzter Besucher aus dem Munch-Museum in Oslo. Erst zwei Jahre später können die Bilder sichergestellt werden.
11. Mai 2003/Wien In den frühen Morgenstunden des 11. Mai 2003 wird im Kunsthistorischen Museum Wien die "Saliera" von Benvenuto Cellini gestohlen. Es ist die einzige erhaltene Goldschmiedearbeit des italienischen Bildhauers (1500– 1571). Angaben zum Wert des Salzfasses lagen damals um die 50 Millionen Euro. Im Jänner 2006 finden es Polizisten in einem Wald in Niederösterreich, nachdem sich der Täter bei der Polizei gemeldet hat.
22. Dezember 2000 Zwei bewaffnete Männer rauben aus dem Nationalmuseum in Stockholm Gemälde von Rembrandt und Renoir mit einem Schätzwert von rund 32,2 Millionen Euro.
Dezember 1994 Antike chinesische und jüdische Schriften im Wert von mindestens 300 Millionen Dollar (262 Mill. Euro) werden aus der Eremitage in St. Petersburg entwendet.
14. April 1991 Aus dem Van-Gogh-Museum in Amsterdam werden 20 Bilder im Wert von rund 436 Millionen Euro entwendet, wenig später aber in einem verlassenen Auto wiedergefunden.
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