Ein „Bodyguard“, der nur ja kein Risiko eingehen will

16 Hits in zwei Stunden:Das Musical „Bodyguard“ zum gleichnamigen Film mit Whitney Houston
Die Musical-Premiere von "Bodyguard" in Wien: Veritable Fehlbesetzungen, platte Dialoge, die üblichen Showeffekte.

Möchte ein Theaterproduzent oder Intendant im Genre Musical „überleben“, muss er offenbar dem Gebot der Stunde folgen und ein Jukebox-Musical ansetzen. Die Formel für dieses Format ist einfach: Die Hits einer Popgröße werden mit einer erfundenen, halbwegs plausiblen Rahmenhandlung oder erfolgreichen Filmvorlage garniert und fertig ist das Werk.

So geschehen mit Rainhard Fendrichs „I Am From Austria“, das den Vereinigten Bühnen Wien 300.000 Zuschauer brachte. Der Intendant und Autor Christian Struppeck wurde mit einer Vertragsverlängerung bis 2025 belohnt. Über 20 Werke dieser Art wurde bereits fabriziert und größtenteils mit Publikumszuspruch. Von Abba, Udo Jürgens, Queen, Udo Lindenberg bis zu Falco, der bisher mit drei Werken vertreten ist. Demnächst auch Meat Loaf und Tina Turner. Nur kein Risiko!

Import

Nichts lag näher, als auch im Ronacher ein Jukebox-Musical aus dem Londoner Westend zu importieren, das ursprünglich von der Presse bejubelt wurde: „Bodyguard – Das Musical“, nach dem gleichnamigen Kino-Blockbuster mit Whitney Houston und Kevin Costner aus dem Jahr 1992.

Die Handlung ist rasch erzählt: Popdiva Rachel Marron verliebt sich in ihren Bodyguard Frank Farmer, der stetig bemüht ist, sie vor einem psychopathischen Stalker zu retten.

Als „Romantic Thriller“ ein eher rares Genre am Showmarkt. Neue Kompositionen gibt es keine, „nur“ die bekannten Hits von Whitney Houston, wie „One Moment in Time“, „I Have Nothing“, „I Wanna Dance With Somebody“ und das unverwüstliche „I Always Love You“, das allerdings von Dolly Parton komponiert wurde. Zur Popballade des Jahrhunderts wurde es durch Whitney Houston.

Insgesamt kommen 16 Songs zur Aufführung, deutlich mehr als im Film. Die deutschsprachige Erstaufführung wurde 2015 in Köln gegeben. Noch vor einem halben Jahr meinte Franz Patay, Geschäftsführer der VBW: „Wir machen das in Wien besser!“

Mitnichten. Das Ärgernis dieser Produktion ist meines Erachtens eine Fehlbesetzung. Sichtbar wie hörbar genügt Patricia Meeden, die bereits die Rolle in Köln spielte und Probleme mit den Stimmbändern hat, den Anforderungen an eine glamouröse Popdiva nicht. Ana Milva Gomes tut es. Sie spielt allerdings Nicki, ihre Schwester.

Patricia Meeden mangelt es an „Soul“, den Gomes verinnerlicht. Selbst wenn man Ana Milva Gomes nicht in der Hauptrolle besetzen wollte, wäre man mit der Holländerin Glennis Grace („Ladies Of Soul“) oder auch Heather Headley aus der Londoner Produktion besser bedient.

Dem „Bodyguard“ Jo Weil fehlt der Sex Appeal. Sonst agiert das Ensemble größtenteils hölzern. Sie leiden allerdings unter den platten Dialogen und mangelnder Schauspielführung.

Mehr Musiker

Für die renommierte britische Regisseurin Thea Sharrock ist es ihre erste Musical-Inszenierung. Wie weit sie sich in die Wiener Produktion eingebracht hat, ist fraglich. Die Qualitäten des Intendanten Christian Struppeck liegen sicher nicht im Bereich Casting, auch mangelt es ihm an musikalischem Feingefühl. Ursprünglich sind sechs Musiker vorgesehen. In Wien spielen 20, die leider mit den Arrangements und einer einfallslosen Orchestrierung unterfordert sind. Ein Karaoke-Band hätte es auch getan. Wirklich schade um die vergebene Chance. Trotz aller Vorbehalte, geht man vergnügt nach Hause. Wenn nur diese gefährlichen Ohrwürmer nicht wären. MARKUS SPIEGEL

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