Ein besserer Mensch dank Meerzwiebel

Meir Shalev, 2014 in Wien
Meir Shalev uns sein wilder Garten: Eine Liebe im Norden Israels.

Wenn die weißen Kerzen der Meerzwiebel den nahenden Herbst ankündigen, sitzen kleine Mädchen und Buben in seinem Garten, und die Kindergärtnerin erklärt:

"Jeden Tag erblühen etwa fünf neue Blütenringe um den Stengel, am nächsten Tag welken sie."

Warum sollen Vierjährige das wissen, fragt sich Meir Shalev, dem der Garten gehört. (Er ist einer der bekanntesten und beliebtesten Schriftsteller Israels; und Friedensaktivist.) Es sei wirklich nicht so wichtig.

Auch ohne dieses Wissen können sie brave Bürger werden. Und vielleicht sogar eine App fürs Handy erfinden, mit der die Welt zu retten ist.

Aber: "Ein Kind, das diese Dinge mit vier Jahren lernt, wird mit sechs Jahren ein besserer Mensch sein."

Keine Orchideen

Muss nicht stimmen, steht aber in "Mein Wildgarten".

Meir Shalev ließ zuletzt im Roman "Zwei Bärinnen" so nebenbei einen Gärtner über Orchideen schimpfen ("die künstlichste, kitschigste, neureichste, gefallsüchtigste, aufdringlichste" Pflanze).

Diesmal ist es die Hauptsache: das Kompostieren, die Feigenkakteen, Wühlmäuse. Ameisen, Alpenveilchen, Olivenbäume, gebratene Salbeiblätter zur Pasta ...

Es ist kein Ratgeber, sondern eine Liebeserklärung: und eine Möglichkeit, in die Welt hinaus- und in sich hineinzuhören.

So etwas schafften zuletzt Barbara Frischmuth, Maarten’t Hart – und vor allem Cees Nooteboom mit seiner Hymne an seinen Ohrwaschelkaktus auf Menorca (im Buch "533 Tage").

Nur Acker?

Shalev ist, im Norden Israels mit Blick auf den Karmel, näher bei der Bibel mit seinen Geschichten – in der übrigens nur wenige Pflanzen vorkommen: Bemerkte damals denn niemand den Hahnenfuß und Geißblatt? "War alles nur Acker und Gottesdienst?"

Dass Käfer die Mohnblumen aufkratzen, um sich absichtlich ein bissl zu vergiften, damit Vögel sie in Ruhe lassen, das gefällt Shalev. Denn es beweise: Die Evolution ist eine der klügsten Sachen, die Gott erschaffen hat.

Sein Augenzwinkern ist nicht zu überhören.


Meir Shalev:
„Mein Wildgarten“
Übersetzt von
Ruth Achlama.
Illustriert von Shalevs Schwester Reffaela Shir.
Diogenes Verlag.
288 Seiten. 24.70 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

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