Aber nicht „frei nach Fontane“, sondern mehr oder weniger „frei von Fontane“. Der Regisseur und Autor Moritz Franz Beichl, 2019 für die Umsetzung von Paulus Hochgatterers „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ mit dem Nestroy als bester Nachwuchs ausgezeichnet, wagte ein radikales Experiment, in dem es um sexuelle Orientierung bzw. Orientierungslosigkeit geht: Er besetzte – wie einst Shakespeare – alle Rollen mit (jungen) Männern. Die männlich gelesenen Figuren aber sind verweichlichte Zweifler und Loser: Die Frauen dominieren.
Mutter Briest (Anton Widauer), durchaus fürsorglich und zärtlich, lässt Vater Briest nie zu Wort kommen; Skye MacDonald kommentiert das Geschehen duldsam mit Blicken. Im Endeffekt fährt Vater Briest, auch wenn er immer gemaßregelt wird (etwa bei der Autofahrt zum Swingerclub), nicht schlecht damit. Im entscheidenden Moment aber (als man schon gar nicht mehr damit rechnet), spricht er ein Machtwort – und Mutter Briest verstummt.
Schon früh wächst deren Tochter allen über den Kopf: In Stiefeletten mit Absatz und Korsage, mit Zopfperücke und Laszivität verdeutlicht Thomas Fischnaller Wachtler von der ersten Sekunde an, dass seine Effi hoch hinaus, eine Dame werden will. Mittel zum Zweck erscheint der alte Baron Innstetten.
Florian Carove wird als aufgeblasener Zwerg mit Rededurchfall andauernd viel zu laut und muss um Küsse betteln. Das kann nicht gut gehen. Effi wendet sich dem Major Crampas (Maximilian Thienen) zu, der mit dümmlichem Grinsen seinen nackten Körper zur Schau stellt. Er hasse es, ein Mann zu sein. Allein schon der Druck, der auf einem beim Sex lastet ... Er wünscht sich daher jemanden, der ihn bevormundet, der ihm sagt, dass er Vegetarier zu werden habe. Ja, es gibt viel zum Schmunzeln in der zweistündigen Inszenierung im pinkfarbenen Bühnenbild von Alina Helal mit Flokatiteppich und Sex-Spielzeug über der Gehschule.
Effi steckt beide in die Tasche – und triumphiert über sie bei „Siedler von Catan“. Das Duell ist daher der Konvention geschuldet: Die beiden Würschtln zittern wie Espenlaub. Und Stefan Lasko begleitet singend als asexuelle, gute Seele Roswitha vom Bühnenrand aus – u. a. mit Herbert Grönemeyers „Männer“, textlich amüsant abgeändert. Was Effi Briest aber an diesem Crampas gefunden haben mag? Das ist die einzige Schwachstelle des Abends.
Kommentare