Ed Ruscha arrangiert Ausstellung im KHM

Ed Ruscha arrangiert Ausstellung im KHM
Mit Ed Ruscha setzt das KHM erstmals einen Künstler als Ausstellungsmacher ein. Er bringt Natur und Kunst zusammen.

Die Natur hat das Kunsthistorische Museum zurückerobert: Durch die Glastür des Sonderausstellungssaales grüßt ein ausgestopfter Kojote, links flankiert von einer Sammlung von Marienkäfern aus dem Naturhistorischen Museum (NHM). Rechts davon hängen gemalte Studien von Eseln, Katzen und Affen; sie stammen allerdings von der Hand Jan Brueghels des Älteren, sind also quasi Kunst.

Zusammengestellt hat das Arrangement der US-Künstler Ed Ruscha, der mit "The Ancients Stole All Our Great Ideas" (bis 2. Dezember) den Start einer neuen Ausstellungsreihe im Zeitgenossen- und Moderne-Programm des KHM markiert.

Auch wenn man sich darüber mokieren kann, dass die Schau mit ihrer Vielzahl von naturgeschichtlichen Exponaten (Mineralien, Marienkäfer, ein Meteorit) genauso gut im NHM stattfinden könnte, so trifft sie doch ihr Ziel sehr genau: In dem Saal, in denen die Vitrinen einander so symmetrisch gegenüberstehen wie die Bauten von NHM und KHM am Maria-Theresien-Platz, werden Ordnungskategorien unterwandert, wird die Trennung zwischen "Natur" und "Kunst" zur Debatte gestellt. Und es wird der Geist einer Sammlung spürbar, die vor ihrer Aufteilung auf zwei Häuser im späten 19. Jahrhundert ohne eine solch strikte Grenzziehung auskam.

Dazwischen

Die Objekte, die Ruscha aus den historischen Sammlungen fischte, leben zwischen den Welten: Aus Beständen der Kunstkammer holte der 74-Jährige etwa von Menschen geschliffene "Kühlkugeln" aus Bergkristall und stellte sie so genannten "Bezoaren" gegenüber – Nierensteine von Wiederkäuern, denen heilsame Fähigkeiten zugeschrieben wurden.

Die verschwimmende Grenze zwischen "menschlichen" und "nichtmenschlichen" Kunstprodukten – bei der heurigen "Documenta" gerade wieder als topaktuelles Thema im Kunstdiskurs entdeckt – erscheint beim Blick auf die Habsburger-Sammlungen als alter Hut: Besonders zelebriert wurde der Kunst-Natur-Balanceakt etwa in den aus Fischen oder Pflanzen zusammengesetzten Porträts des Arcimboldo, von denen Ruscha zwei ("Sommer" und "Wasser") in die Ausstellung hängte. Auch die "Medusa" von Rubens ist hier zu sehen, unweit davon eine Klapperschlange aus dem NHM.

Mensch wird Tier, Kunst wird Natur, Schrift wird Bild und umgekehrt: Die Kippeffekte, an denen Sammler des alten Europa sich delektierten, haben es Ruscha, dem "kalifornischsten" aller Künstler aus dem Umfeld der Pop-Art, ganz offensichtlich angetan.

Der große Kunsthistoriker Werner Hofmann, der erst vergangene Woche im KHM einen Vortrag zur Bildhauerei von Joannis Avramidis hielt, mag sich davon bestätigt fühlen: Das Motiv der Mehransichtigkeit und Vieldeutigkeit zieht sich seit Jahrzehnten als roter Faden durch seine Schriften. Die im Kunstwerk angelegte Möglichkeit unterschiedlicher Lesarten gilt Hofmann als ein Grundbaustein der Moderne, wiewohl sich das Prinzip bis ins Mittelalter nachweisen lässt: Der Effekt, der manche im Museum ahnungslos mit den Achseln zucken lässt und andere intellektuell anspornt, ist demnach keine Besonderheit der modernen Kunst.

Alles kippt

Ruscha, dessen eigene Werke oft extrem deutungsoffen sind, lässt sich im Spiegel seiner KHM-Auswahl als Moderne-Vertreter mit einer langen Ahnenreihe begreifen. Nur ein einziges eigenes Werk des Künstlers hängt in der Ausstellung, ein Schriftzug des Worts "Wanze". Die Viecher krabbeln auch wirklich überall hinein.

Bis 2.12., www.khm.at

Ausstellung "Reading Ed Ruscha": bis 14. 10., Kunsthaus Bregenz.

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