Drozda: "6 Euro – das ist ja obszön"

Thomas Drozda
Kultursprecher der SPÖ fordert gerechte Bezahlung, einen KV für die Mitarbeiter der Bundesmuseen und so weiter.

Gut eineinhalb Jahre lang, von Ende Mai 2016 bis Weihnachten 2017, war Thomas Drozda Kunst- und Kulturminister. Danach, als Kultursprecher der SPÖ, kritisierte er permanent seinen Nachfolger Gernot Blümel (ÖVP). Ende Mai brachte er zusammen mit Herbert Kickl, dem Gottseibeiuns seiner Partei, den Kanzler – und damit dessen Mastermind Blümel – zu Fall. Und nun befindet sich der in der SPÖ nicht unumstrittene Bundesgeschäftsführer im Wahlkampf.

KURIER: Sie verlangen einen Kollektivvertrag für die Angestellten der Bundesmuseen und der Nationalbibliothek. Warum?

Thomas Drozda: Wir haben in Österreich eine Kollektivvertragsabdeckung von 98 Prozent. Die Gewerkschaften sind zu Recht stolz darauf. Und dann gibt es Institutionen, die zu 80 und mehr Prozent aus Steuergeldern finanziert werden, aber keine Kollektivverträge haben. Das finde ich beschämend. Als ich 1999 als Geschäftsführer in die Bundestheater kam, war das erste, was wir gemacht haben, ein Kollektivvertrag.

Ein neuer Kollektivvertrag, der eine Schlechterstellung für viele Mitarbeiter bedeutete. Denn der alte wäre irgendwann nicht mehr finanzierbar gewesen. Die Ausgliederung der Bundestheater bot daher Möglichkeiten …

Das stimmt. Es ging aber nicht um eine Schlechterstellung. Denn die Gewerkschaft argumentiert mit der Lebensgehaltssumme und sagt: „Über die Verteilung können wir reden, aber nicht über eine Kürzung.“ Hinzu kam, dass nach dem alten Kollektivvertrag die geleisteten Überstunden ein relevanter Gehaltsfaktor waren. Wir gingen daher zur Arbeitszeitflexibilisierung über – und inkludierten einen Teil der Überstundengelder in die Grundgage. Uns ging es auch um eine Abflachung der Gehaltskurve – durch eine Erhöhung der Einstiegsgehälter. Das finde ich richtig.

Sie sind gegen den 12-Stunden-Tag und treten für eine Arbeitszeitflexibilisierung ein?

Ich war nie gegen Arbeitszeitflexibilisierung. Sie stand auch im „Plan A“ von Christian Kern (SPÖ-Chef bis September 2018, Anm.). Aber sie darf keine Einbahnstraße sein.

Die Sozialdemokraten waren ab 2006 viele Jahre lang für die Bundesmuseen zuständig: Claudia Schmied, Josef Ostermayer – und zum Schluss Sie. Warum pochen Sie erst jetzt, als Oppositionspolitiker, darauf?

Ich kann Ihnen nicht sagen, warum in der Vergangenheit niemand den Kollektivvertrag auf der Agenda hatte. Ich habe ihn bereits als Minister auf die Agenda gesetzt. Und ich finde, dass die Gehälter der Angestellten und der Führungsspitze in einer vernünftigen Relation zueinanderstehen müssen. In den letzten 15 Jahren kam es ja mit dem Neoliberalismus – ausgehend von den USA – zu einer Pervertierung: Man vertrat die Meinung, dass ein CEO, der unter zehn Millionen Dollar verdient, nichts wert sein kann. Das geht an sich nicht und im öffentlich finanzierten Bereich schon gar nicht.

Was wäre vernünftig?

Gegenwärtig verdient man in manchen Museen nur 6 Euro in der Stunde: Das ist ja obszön! Ich fände einen Mindestbezug von 1.900 oder 2.000 Euro richtig.

Sie haben als Kulturminister die Gehaltsobergrenze für die Direktoren der Bundeskultureinrichtungen bei 250.000 Euro gezogen. Der Anlassfall war die Bestellung von Bogdan Roščić zum Staatsoperndirektor ab dem Herbst 2020?

Ja. Es gibt seit vielen Jahren eine Gehaltspyramide für Minister, Landeshauptleute, Abgeordnete und leitende Beamte. Ich glaube, dass auch Bezüge im staatsnahen Management dieser unterliegen sollten. Die Direktorenposten sind sehr gut bezahlt. Wenn aber jemand nicht bereit sein sollte, für 250.000 Euro – das ist immerhin das Sechsfache des österreichischen Durchschnittsbezugs – zu arbeiten, dann muss er eben bei einem US-amerikanischen Museum einchecken.

Diese Regelung gilt auch fürs Belvedere? Sie haben ja eine neue Leitung, Stella Rollig und Wolfgang Bergmann, bestellt.

Selbstverständlich. Mit 250.000 Euro ist das Gehalt von Roščić gedeckelt. Da die Staatsoper das größte Unternehmen im Kulturbereich hinsichtlich Umsatz und Mitarbeiterzahl ist, ordnen sich die anderen Bundestheater und die Museen darunter an. Im Falle des Belvederes deutlich darunter. Es gibt aber eine Valorisierung, gekoppelt an die Steigerungen bei den Beamtengehälter.

Gibt es dafür einen Erlass?

Es ist eine Weisung, die letztlich Verbindlichkeit hat.

Sie war auch für Blümel verbindlich und wird es weiterhin sein?

Genau.

Sie hatten Blümel das Weißbuch für die Bundesmuseen hinterlassen. Er griff die Vorschläge aber nicht auf, sondern wollte einen Generalsekretär der Direktorenkonferenz installieren.

Die Ibiza-Regierung hatte ja ein explizites Faible für Generalsekretäre und zehn Millionen Euro pro Jahr für diese ausgegeben. Die Idee des zusätzlichen Generalsekretärs finde ich lächerlich. Ich will das Weißbuch umgesetzt wissen: Keine Holding, aber eine deutliche Stärkung der Eigentümerrolle unter der strategischen Führung des Bundeskanzleramts.

Zudem plante Blümel eine Service-GmbH für die Museen.

Synergien zu nützen, ist vernünftig. Aber warum braucht man dafür eine eigene Service-Gesellschaft mit einem eigenen Geschäftsführer? Warum überträgt man nicht die Aufgaben der „Art for Art“, der Servicegesellschaft der Bundestheater, die großes Know-how hat? Sie ist unter anderem auch für Kartenvertrieb, IT-Fragen, Lagerung zuständig. Man muss das Rad nicht neu erfinden.

Das Fotomuseum wollen Sie?

Ja.

In Salzburg, obwohl sich fast alle in der von Ihnen in Auftrag gegebenen Studie gegen diesen Standort ausgesprochen haben?

Der Ehrgeiz des Salzburger Landeshauptmanns in dieser Frage spricht für ihn. Denn das Land wäre kulturell ärmer, wenn es keine Landeshauptleute gebe, die kulturelle Ideen verfolgen. Aber man muss jetzt nicht sagen: „Nur weil Du es gerne hättest, kriegst Du es!“ Ich würde mir Konzepte anbieten lassen und eine Jury einsetzen. Wer das beste Konzept hat, bekommt den Zuschlag – egal, ob das Salzburg, Graz oder eine andere Stadt ist.

Und den Gratiseintritt?

Ja, es soll bei den Bundesmuseen einen eintrittsfreien Tag pro Woche für alle geben – für die Dauerausstellungen.

Mit welchen neuen Ideen wollen Sie in die Wahl gehen?

Ich schlage ein freiwilliges Kulturjahr vor, vergleichbar mit dem freiwilligen Sozialjahr. Die Idee ist, ein Jahr Berufserfahrung bei einer Kunst- oder Kulturinstitution zu sammeln, die ein monatliches Taschengeld von 240 Euro bezahlt. Dazu gibt es die Familienbeihilfe und man ist versichert. Das hilft beiden Seiten: den Institutionen wie auch den jungen Menschen, die im Kulturbereich Qualifikationen erwerben wollen.

Zivildiener sind billige Arbeitskräfte. Droht nicht auch beim Kulturjahr Ausbeutung?

Das Kulturjahr ist ja freiwillig. Sollte jemand ausgenützt werden, steigt er wohl wieder aus. Und dann gibt es noch die Valorisierung der Subventionen, die ich nicht müde werde zu fordern.

Ist eine gesetzlich verankerte Valorisierung nicht fatal? Denn das Kulturbudget steigt nicht automatisch. Der Kulturminister hat dann überhaupt keinen Spielraum mehr.

Umgekehrt kann man, wenn man zu 80 Prozent von Subventionen abhängig ist, die Gehaltssteigerungen, die es legitimer Weise gibt, nicht auf Dauer finanzieren. Denn die Einnahmen, die nur die restlichen 20 Prozent ausmachen, können eben nicht im benötigten Maß gesteigert werden. Was dazu führt, dass es zu Ausgabenkürzungen kommen müsste – etwa im künstlerischen Bereich. Dazu soll es nicht kommen.

Also müsste es zu einer automatisierten Anhebung des Kulturbudgets kommen.

Ich wäre dafür. Damit auch die Stipendien und Preise valorisiert werden können.

 

Der KURIER führt vor der Nationalratswahl am 29. September kulturpolitische Gespräche mit den Kultursprechern der Parteien. Den Anfang machte Kulturminister Alexander Schallenberg.

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