Kritik: Das Donauinselfest als Wandertag und der Soundtrack zum Pizzakrapfen

42. DONAUINSELFEST: KONZERT - CAMO KROOKED - KOLONOVITS - RED BULL SYMPHONIC - JOHANN STRAUSS  +++EDITORIAL USE ONLY - NO SALES+++
Avec singt von der Liebe, Symba mit Autotune, Milky Chance vom wundervollen Leben, und Camo & Krooked bezwingen Strauss.

Im Prinzip regt das Donauinselfest eher zum Nachdenken darüber an, ob man, weil es eh schon egal ist, jetzt doch einmal diesen Pizzakrapfen kosten will, als über die wahre Liebe. Und doch sang die österreichische Popsängerin Avec am Nachmittag auf der Hauptbühne über letztere, und es war schön.

42. DONAUINSELFEST: KONZERT - AVEC.+++EDITORIAL USE ONLY - NO SALES+++

Ein guter Moment im Musikprogramm, was nicht selbstverständlich ist:  Das fühlt sich nämlich verlässlich so an wie eine Autofahrt, bei der man beim Durchschalten der Formatradiosender im Autoradio nicht immer nur Glück hat.  

In der doch durchaus noch angriffigen Frühabendsonne dachte man am Freitagabend an Billie Eilish. Nicht, weil der US-Star beim Donauinselfest wäre! Sondern weil Billie Eilish eigentlich Billie Eilish Pirate Baird O'Connell heißt und damit genauso viele Namen trägt wie die Bühnen am Donauinselfest: Bei denen reihen sich auf beeindruckende Art allerlei Sponsorennamen aneinander. 

Milky Chance experimentierfreudig

"Wien Energie/radio fm4/Radio Wien/HITRADIO Ö3 Festbühne", das geht nach dem 1 Meter Weißer Spritzer (10 plus 1 gratis!), den man unterwegs zwischen den Bühnen erstehen kann, immer leichter über die Zunge: Schnell, gehen wir zur Wien Energie/radio fm4/Radio Wien/HITRADIO Ö3 Festbühne! 

Wobei man es in Wien ja eigentlich eher pomali gibt, und das wurde vom Musikprogramm durchaus unterstützt. Milky Chance etwa, die netten Deutschen, die fast schon den Hauptact auf der oben genannten Vielnamenbühne gaben, haben es in ihrer Musik ja auch nicht eilig. Die spielen schöne, experimentierfreudige Songs, die oftmals ein wenig vor sich hinstehen, sangen gegen Ende den 80er-Hit "Wonderful Life" und waren jener Act, bei dem es vor der Siewissenschon-Bühne dann so richtig voll wurde.

42. DONAUINSELFEST: KONZERT - MILKY CHANCE.+++EDITORIAL USE ONLY - NO SALES+++

Dass es im Programm des Donauinselfests trotz Riesengröße und bester Sommersaison alljährlich keinen internationalen Headliner mit richtiger Festival-Strahlkraft gibt, das ist im Kontext zu verstehen und in selbigem eh auch egal. Musikalisch gibt es ein wenig aufregendes Konsensprogramm, denn immerhin ist das Donauinselfest eine jener irgendwie verzwickten Partys, bei denen die Eltern mitfeiern (oder, genauso arg, zu denen man die Kinder mitschleppen muss!).

Auch gut, da bleibt für den Kulturredakteur die Gelegenheit, bei der Tourismusbühne koreanische Kühlschränke zu begutachten (sehr energiesparend, findet auch Toni Polster, steht auf einem Pickerl darauf) und ebendort fremde musikalische Kulturen kennenzulernen. Unterwegs dorthin konnte man der Ausdrucksgymnastik einiger Tänzerinnen auf der DJ-Bühne zuschauen (dort sollte es später am Abend hervorragende Stimmung und gute Musik geben!) und auf der Schlagerbühne bei ziehharmonikagefütterten Coverversionen von "Major Tom" mitsingen. 

Donauinselfest als Wandertag

Überhaupt, dieser Eindruck verfestigte sich, ist das Donauinselfest eigentlich ein Wandertag, bei dem ganz viele Menschen die ganze Zeit irgendwo hin gehen. 22.000 Schritte, rief eine Besucherin ihrer Freundin freudig das von der Smart Watch abgelesene Ergebnis dieses Wandertags zu.

Zurück bei der Eh-schon-wissen-Bühne gab gerade der deutsche Rapper Symba ein Konzert, das von einer riesigen aufblasbaren Krone auf der Bühne und guten Beats geprägt war. Er sagte einen ganz interessanten Satz, dass er es nämlich "übertrieben schön" in Wien hatte, und darüber, was das eigentlich heißt, konnte man dann auch nachdenken.

Es ist kein Geheimnis, dass das Donauinselfest jetzt normalerweise kein Ort der inneren Einkehr ist, sondern einer, an dem das Innere hervorbricht, bei Männergruppen oftmals in Grölen, man sah auch ein, zwei Bachelorettepartys, die jetzt auch nicht durch tiefgehende Diskussionen über philosophische Fragestellungen geprägt waren. 

Umso berührender war die Gedenkminute für die Opfer in Graz, die gegen 22 Uhr abgehalten wurde: Es wurde wirklich still auf der Insel, die Menschen hielten ihre leuchtenden Handys hoch, und es waren Betroffenheit und Zusammenhalt spürbar.

Bevor die Musikstadt, die niemals schläft, also jedenfalls nicht vor 23 Uhr, aber auch nicht viel später wegen des Lärmschutzes, dann die Lautsprecher abdrehte, gab es noch den Hauptact: Das Drum-and-Bass-Duo Camo & Krooked spielte mit den Wiener Symphonikern unter Christian Kolonovits ein Johann-Strauss-Mashup.  Wer sich da, natürlich verbotenerweise, ein wenig Vorabskepsis erlaubte, wurde eines besseren belehrt: Man schält aus der Strauss'schen Tanzmusik die rhythmischen Effekte heraus, umwob diese mit gebrochenen Beats und allerlei Knallereffekten und wechselte unfallfrei zwischen den eigentlich einander widerborstig gegenüberstehenden Taktarten der beiden Musikstile. Interessant! 

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