Dann verdrängten die Mönche, viel später die Industrialisierung der Bierproduktion die Frauen von den Sudkesseln.
Welche Eigenschaften machten und machen das Bier populär? Seine rituelle Bedeutung? Seine Funktion als flüssiges Brot, als Rauschmittel, nicht zuletzt seine Rolle als Kultgetränk für gemeinschaftsstiftende Erlebnisse – ob im Wirtshaus, Biergarten oder zu Hause?
Brauer, Sommeliers und andere Biergenießer geben in Mosers Film Auskunft darüber, was in ein gutes Bier hineingehört und was nicht.
Betrachtet man das bisherige Schaffen des oberösterreichischen Filmemachers, so verblüfft die Auseinandersetzung mit dem Thema „Bier“ zunächst. Vor allem wohl deshalb, weil der vom TV-Journalismus kommende Regisseur bisher vorwiegend mit politischen Dokus Aufmerksamkeit erregte wie „A Good American“ über William „Bill“ Binney, der das NSA-Überwachungsprogramm „ThinThread“ entwickelte.
Neben seiner Arbeit als Filmemacher lehrt Friedrich Moser unter anderem am Department für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien.
KURIER: Nach dem politisch brisanten Dokumentarfilm „A Good American“ würde man nicht erwarten, dass sich Ihr nächster Film um das Thema „Bier“ dreht. Wie sind Sie darauf gekommen? Friedrich Moser: „The Good American“ war genau genommen der Auslöser für den Bier-Film. Denn während der Dreharbeiten in Washington hat mir ein österreichischer Freund empfohlen, dort einmal ein „Craft Beer“ zu probieren. Ich weiß noch genau wo und wann das war: Im Juni 2014 im „Kramerbooks & Afterwords Cafe“, und das Bier war ein Imperial IPA (India Pale Ale, Anm.), also ein dreifach gehopftes, starkes Bier.
Und warum ist Ihnen das so in Erinnerung geblieben?
Weil dieses Bier schon nach dem ersten Schluck eine derartige Aromen-Explosion verursacht hat, dass ich diesem ganz besonderen Saft einmal so richtig auf den Grund gehen und recherchieren wollte, ob es auch Österreich so etwas wie „Craft Beer“ gibt. Also Kreativ-Bierbrauer, die alte oder ausländische Bierstile neu interpretieren. Wie wir im Film sehen können – es gibt sie (lacht). Und man kann solche Biere auch „ab Hof“ kaufen – wie guten Wein. Aber ich habe mich nicht nur in Österreich umgesehen, sondern überall in Europa und in den USA.
Vor rund zehn Jahren hat der Dokumentarfilm „Mondovino – Die Welt des Weins“ international Aufsehen erregt. Es ging darin um den Globalisierungskampf im Weinhandel am Beispiel von Napa-Valley-Milliardären, die traditionellen Wein-Dynastien aus Florenz und französischen Weingütern die Existenz schwer, oder sogar unmöglich machen. Wollten Sie eine ähnliche Entwicklung auf dem Gebiet des Biers aufzeigen?
Ich habe den Film „Mondovino“ natürlich gesehen, und er war tatsächlich in gewissem Sinne für mich ein Vorbild. Ich wollte den „eisernen Vorhang“ der Propaganda und Werbung für internationale Bier-Erzeuger so weit wie möglich anheben, damit wir einmal den Blick dahinter werfen können und sehen und hoffentlich auch schmecken, welch große Unterschiede es da gibt. Es gibt so viele Geschichten über guten Wein und daneben existiert auch wirklich gute Biersorten, aber ihre Geschichten wurden bisher nicht erzählt.
Österreich sieht sich als „Kulturland“ – die „Weinkultur“ inbegriffen. Warum gilt hierzulande das Bier – obwohl man ja auch von einem „gepflegten Bier“ spricht – eher als Durstlöscher und weniger als Produkt einer Kulturtradition?
An sich bin ich an diesen Film unpolitisch und unideologisch herangegangen (lacht). Aber ich habe auch schon Filme über Wein gedreht – in meiner Zeit als TV-Journalist in Südtirol. Die entscheidende Erkenntnis für mich war dabei, dass Wein die Gesellschaft teilen kann. Es gibt da ein „oben“ und ein „unten“. Teuren Wein als Luxus-Getränk, das man sich leisten kann, oder eben nicht. In Südtirol gab es schon im Mittelalter teure Lagen, an denen Weine angebaut wurden, die nur für den Kaiser bestimmt waren. Beim Bier gibt es kein „oben“ und „unten“. Das Bier bringt die Leute zusammen. Es kommt natürlich vor, dass das Bier die Gesellschaft in „rechts“ und „links“ teilt – man denke da nur an die sogenannte „Stammtisch-Politik“. Aber ich denke und hoffe, dass diese Form der politischen Vereinnahme dieses Getränks mit der Craft-Bier-Bewegung dahin geht, wo sie hingehört – in die Hose.
Wie kann das Craft Bier dem entgegenwirken?
Die Volkstümelei rund ums Bier finde ich lachhaft. Denn die Biere, die an Stammtischen serviert werden, sind ein Industrieprodukt, dem jede Regionalität und damit auch jede Nationalität längst ausgetrieben wurde. Man könnte jetzt auf den ersten Blick denken, dass das Craft Bier diese Regionalität ja wieder zurückbringt – aber das sehe ich anders. Indem damit die traditionellen Handwerkskünste rund ums Bier wiederbelebt werden, geht die Auseinandersetzung damit nicht in die Breite der jeweiligen Region, sondern in die Tiefe der Geschichte. Zum Beispiel indem alte Getreidesorten wieder angebaut werden. Aus der Geschichte kann und soll man immer etwas lernen. Da ist Bier keine Ausnahme.
Kommentare