KURIER: In „La Bohème“ wird ganz schön viel gehustet und am Schluss am Husten gestorben – die Oper zu Corona?
Eun Sun Kim: (lacht) Ich weiß nicht. Ich glaube, das ist eher eine Oper, die den Menschen Komfort gibt. Die Musik wird zu ihnen sprechen!
Sie haben in den letzten Monaten große Karriereschritte gesetzt – es könnten aber kaum schwierigere Zeiten dafür sein. Niemand weiß, wie es in der Oper weitergehen wird, ob das Publikum zurückkehrt, ob und wann sich die Finanzen erholen. Ein steiler Weg, nicht?
Ja, es ist nicht einfach. Wenn man in der Probe ist, in der Vorstellung, dann fühlt sich wieder alles ganz normal an. Man vergisst alles. Aber besonders in den USA ist die Situation sehr schwierig: Dort wird alles privat finanziert, und wir haben große Schwierigkeiten. Ich habe meine Stelle in San Francisco in einer unerwarteten Situation angefangen. Man muss weitermachen, Tag für Tag leben und positiv bleiben. Ich bin eigentlich Optimist. Wenn die Kunst bleibt, wird es schon werden.
Wenn die Menschen halt kommen, und sich das anhören, anstatt weiter zu Hause zu streamen.
Ich netflixe auch! Aber es ist ein ganz anderes Gefühl. Die Macht der Live-Performance bleibt, da spürt man ganz anderes. Man möchte etwas gemeinsam fühlen. Wir spüren ja auch die Energie des Publikums, wir erleben hier denselben Moment. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, denn die Live-Aufführung kann man nicht mit einem Bildschirm vergleichen.
Trotzdem steht das, was auf den Bildschirmen passiert, gerade viel mehr im Zentrum der Kultur-Wahrnehmung als die Oper. Hat die ein Imageproblem vor allem bei den Jungen?
Wir denken in San Francisco viel an die nächste Generation. Wie kommen wir an die heran, die 24 Stunden am Tag mit dem Smartphone leben und überhaupt keine Erfahrung haben, in Live-Performances zu sitzen? Wir haben viele, viele Ideen, ich möchte die Jugendlichen in die Oper einladen und ihnen zuhören. Man muss sich wirklich bemühen, die Oper zu bewahren.
Wie sind Sie selbst dazu gekommen?
Ich bin die einzige Musikerin in meiner Familie. Aber es war nicht von Anfang an so, dass ich Dirigentin werden wollte – sondern Pianistin. Aber ich war immer so nervös auf der Bühne (lacht). Bei einer Uni-Produktion von „La Bohème“ habe ich dann die grundlegenden Dirigier-Techniken gelernt. Deshalb ist mir das Stück so nahe.
Man hört, dass man es als Dirigentin sogar noch schwieriger hat denn als Dirigent.
Der Dirigentenberuf ist auch abgesehen vom Geschlecht schon schwierig! (lacht) Ich weiß nicht, ob das wirklich für Frauen noch schwieriger als für Männer ist. Wenn man jung ist und dirigiert, ist man mit vielen Sachen konfrontiert. Früher haben Orchestermusiker, erzählte man mir, eine Note absichtlich falsch gespielt, um zu sehen, ob das der junge Dirigent auch hört – oder nicht. Das hat mit Frau oder Mann nichts zu tun. Ich habe mir nie gedacht, der oder die macht jetzt ein Problem, weil ich eine Frau bin. Man ist ja auch sehr beschäftigt (lacht). Man muss die Menschen motivieren, ihr Bestes zu geben.
Hat man als Dirigentin vor 130 Musikern nicht mehr Lampenfieber denn als Pianistin?
Es ist mir komischerweise noch nie passiert. Ich bin vor der ersten Probe immer angespannt. Aber wenn es dann losgeht, ist das vorbei.
Man sagt, dass Dirigenten die Ärmsten im Opernbetrieb sind – weil sie sich die Inszenierungen jeden Abend anschauen müssen, also die Regie mehrfach ertragen müssen, auch wenn sie schlecht ist.
(lacht) Ich sehe jedes Mal etwas anderes und ich entdecke auch jedes Mal etwas anderes. Und ich muss sagen: Ich bin eigentlich viel beschäftigter, als man denkt. Man ist ja sehr auf die Sänger konzentriert, ich besuche diese auch immer vor jeder Vorstellung, um zu sehen, wie sie sich fühlen. Und auch man selbst ist jeden Tag anders – man fühlt sich jeden Tag anders und wird auch älter, zumindest um einen Tag. Und dann wird jeder Abend auch anders.
Aber trotzdem: Moderne Inszenierungen, ja oder nein?
Es kommt drauf an (lacht). Gute Inszenierungen, ja!
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