Dietmar Grieser: Die Straße zum ersten Kipferl
Kann sein, dass es ein "Aug in Aug" gibt selbst mit den Dingen; und dass man deshalb nicht gierig darauf losstürmen soll, wenn man sich etwas anschauen will.
Kann sein, dass auch "das Ding" Zeit braucht, um DICH anzuschauen. Dann erst zeigt es sich ganz und gar.
Das macht Dietmar Grieser seit Jahrzehnten. Besser: seit (geschätzten) 156 Büchern. Sie lesen sich immer wie eine Plauderei, eine einseitige halt. Der Hannoveraner Grieser ist längst eine Wiener Tratschen geworden und erfreut wie vor 40 Jahren, als er uns zum ersten Mal "Schauplätze der Weltliteratur" ins Haus brachte.
Seine neueste Spurensuche hat als roten Faden:
Wege.
Legendäre und private. Veza Canettis "Gelbe Straße" in der Leopoldstadt wird gesucht, Hugo Bettauers "freudlose Gasse", Tennessee Williams’ "Endstation Sehnsucht" in New Orleans (wo keine Straßenbahn mehr hält, aber immerhin ein Autobus), die Catfish Row aus "Porgy and Bess", Fellinis namenlose "La Strada" bei Viterbo, die Lombard Street aus der TV-Serie "Die Straßen von San Francisco" ...
Der kurioseste Weg?
Jener Straßenabschnitt vor Mariazell, wo die amtlichen Verkehrsschilder nicht vor "Steinschlag" oder "Wildwechsel" warnen, sondern vor – "Pilgern".
Der finsterste Weg auf Ihren Reisen?
Ganz klar: Das waren die mitternächtlichen Recherchen rund um die Othello-Festung auf der Insel Zypern, wo ich an der griechisch-türkischen Demarkationslinie der feindlichen Spionage verdächtigt und von der Militärpolizei festgenommen wurde.
Der für Sie interessanteste Weg aus der Welt der Literatur?
Die Suche nach dem Originalschauplatz von Thornton Wilders Roman "Die Brücke von San Luis Rey" in der Nähe der peruanischen Hauptstadt Lima.
Der historisch spannendste Weg, den Sie gegangen sind?
Der ehemalige Schmugglerpfad in den französisch-spanischen Pyrenäen, wo im September 1940 Franz und Alma Werfel sowie weitere politisch verfolgte Künstler, von ihren heldenhaften Schleppern als Erntehelfer verkleidet, vor der Gestapo gerettet wurden.
Der Weg, der Sie glücklich macht, wenn es Ihnen nicht so gut geht?
Zielloses Flanieren durch die Altstadt von Wien.
Kommentare