Diese Diät von Wolf Haas zahlt sich aus

Diese Diät von Wolf Haas zahlt sich aus
Kein neuer Brenner-Krimi, aber noch besser: Ein "Junger Mann" ist aussichtslos verliebt.

Eine Wohltat ist das. Niemand stirbt, und am Schluss sind sogar alle zufrieden, und man braucht sich  nicht zu genieren, dass man dieses Buch gelesen hat – so gern gelesen hat. Ganz im Gegenteil: Angeben  kann man damit, bereits  „den neuen Wolf Haas“ zu kennen.
 Der Roman „Junger Mann“  überrascht, indem er nicht überraschen will.

Zwei Schwämme

Das ist keine Fortsetzung vom Brenner, der in Band acht der Reihe die Brennerova aus Nischni Nowgorod geheiratet hat. Das ist keine große Verspieltheit  wie etwa  in „Verteidigung der Missionarsstellung“ mit mehreren chinesischen Seiten.
Nein, jetzt geht es „nur“  um einen Buben Mitte der 1970er Jahre, 13 Jahre alt und schon 1,80 m groß .
Er hat aber auch 95 Kilo und einen Bauch .
Als er in den Ferien als Tankwart arbeitet und die Elsa sieht, die Frau vom Dorfprolo Tscho, ist er sehr verliebt. Man sieht es an seiner Hose. Sie lächelt. Für Elsa macht der junge Mann gern eine Diät, ein 24-Stunden-Fasttag pro Woche.
Sie lächelt und sagt zu ihrem Tscho: „Gib dem Fräulein ein Trinkgeld.“
Da ist der junge Mann  sehr enttäuscht. Er wird noch warten müssen auf sie / auf andere Frauen.
Aber Tankwarte waren einst gut im Warten ... als sie noch echte  Handwerker waren: Wenn sie mit einem weichen Schwamm über die dreckige Scheibe eines Lastwagens wischen, dauert es, bis die zergatschten Insekten aufgeweicht sind. Man muss warten, bevor sie sich mit einem harten Schwamm leicht entfernen lassen.

Maria Alm

Hinten auf dem Buch steht: Der junge Mann  wird seine Unschuld verlieren. Aber glaube nicht,  „Unschuld verlieren“ müsse mit Sex zu tun haben
Es kann auch heißen, dass er,  Überraschung!, mit dem Tscho nach Thessaloniki fährt, wo es noch schönere Frauen gibt als in Maria  Alm am Steinernen Meer, Salzburg. Dort sind alle zu Hause –  auch Wolf Haas wurde in Maria Alm geboren Was nicht unbedingt bedeutet, dass Autobiografisch im Roman steckt:
Haas (= alter Schwindler) erweckt gern einen solchen Eindruck.


KURIER: Hatten Sie diesmal Lust auf etwas „Normales“?
Wolf Haas:
Lust ist ein gutes Stichwort. Ich glaube, ich hatte Lust, über die Lust zu schreiben. Und die ist bei einem 13-Jährigen fast so groß wie die Unlust aufs normale Leben.  ... Und das Normale ist ja zum Glück nur einen Schritt vom normalen Wahnsinn entfernt.

Die Liebe hat Sie als Autor diesmal nicht gereizt?
Diese aussichtslose Liebe, der sich dieser junge Mann verschreibt, hat mich sogar sehr gereizt. Halb möchte man ihn vor sich selbst schützen, halb möchte man sofort mit ihm tauschen, um noch einmal so blauäugig in die Welt zu blicken.

Hauptsache blauäugig. Das Übergewicht kriegt man schon irgendwie weg.
 Auf einer Liste der literaturfähigen Themen wäre „Abmagerungskur“ mit ziemlicher Sicherheit nicht drauf. Sowas interessiert mich automatisch.

Ihr junger Mann versucht als Vierjähriger über eine Schanze zu fliegen, landet aber in einem Loch, das peinlicherweise  NEBEN der Schanze liegt. Damit haben Sie schon auf den ersten Seiten klargestellt, dass spätere Liebesbemühungen  scheitern.
Liebesgeschichten lassen sich ja meist in diesem netten Spruch zusammenfassen: „Weggesprungen wie ein Tiger, gelandet wie ein Bettvorleger.“ Aber kurze Zeit ist man immerhin in der Luft!

***
Wolf Haas sagt noch, „Junger Mann“ sei das Buch, das er immer schon habe schreiben wollen: „Aber man muss alt genug sein, um sich den jungen Mann zu verzeihen, der man einmal war.“
Moment! Heißt das, er war selbst  ein dicker Bub?
„Ich hab’ wirklich einmal in den Sommerferien diese Abmagerungskur gemacht.“
Dann müssen die Zeilen mit dem Satz vom "alter Schwindler“ zurückgenommen werden. Ein bisschen zurückgenommen zumindest.

 

 

Wolf Haas:
„Junger Mann“
Verlag Hoffmann
und Campe.
240 Seiten.
22,70 Euro.

KURIER-Wertung: *****

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