Die Zunge ist die Primadonna

Klamauk und Nonsens mit kunstvollem oder gekünsteltem Gesang
Kritik: "Ohne Titel Nr. 1" – ein schrill-schräges Opern-Comic von Herbert Fritsch im Burgtheater.

Wer irgendetwas verstehen will, hat schon verloren. Nonsens ist Spiel ohne Sinn. Sinnfrei, aber nicht unbedingt sinnlos. Und Herbert Fritschs Schauspiel-Oper "Ohne Titel Nr. 1" von der Berliner Volksbühne bei den Wiener Festwochen im Burgtheater ist Nonsens für zwölf Comic-Figuren mit Plastikfrisuren, knallweiß blitzenden Gebissreihen und bonbonfarbenen Glitzerkostümen.

Kakophonisch schon die "Ouvertüre". Dann knarrt und quietscht es im Gebälk zur Kunst des höheren und tieferen Blödsinns. Jeder im schrillen Dutzend der ungelenken Tänzer und divenhaften Sänger hat – als wär’s eine Nummernrevue der Exzentrik – sein Solo in der Show, die rund um ein und auf einem Riesensofa sukzessive ins Surreale kippt.

Slapstick

Drei Live-Musiker liefern die schrägen Begleitgeräusche zur Groteske. Ein Zauberkünstler scheitert an den eigenen Mätzchen, ein Furzakrobat lebt seine Lust am Infantil-Spaß genüsslich aus.

Die Primadonna im Repertoire des Klamauks und der Albernheiten ist die irritierend lange und unglaublich bewegliche Zunge der Sopranistin Ruth Rosenfeld.

Zwischen den Kasperliaden wird gequietscht, gekiekst, gerülpst, geschrien, gestöhnt – aber nur selten gesungen. Und dann auch nur angedeutet mit "Aaaaah" oder "Babababaahhh" oder – bei einem Frauenchor – mit einem munter geträllerten "La la la".

Kunstsprache

Die Truppe unterhält sich in kunstvollem Kauderwelsch, aber zugleich verschiedenen bekannt klingenden Sprachen und Dialekten.

Sie "redet" deutsch, amerikanisch, wienerisch, italienisch: Und ohne ein einziges richtiges Wort in den Mund zu nehmen, glaubt man alles zu verstehen. Allein mit Rhythmus, Gestus, Mimik und Tonfall wird die soziale Herkunft der Bühnenfiguren deutlich. Das ist dann doch wieder Verstehen nicht auf verbaler, aber auf anderer Ebene. Dann stehen alle in einer Reihe und intonieren nacheinander ein A in immer anderem Ausdruck – vom entspannten "Ah" über ein von Schrecken oder Schmerz begleitetes "Aaa" bis zum Lustschrei "Aaaaa". Am Ende geht einer, als wollte er uns noch einmal die Zunge zeigen, mit einem langen Brett vor dem Kopf über die Bühne.

KURIER-Wertung:

Ein Abend der Komik. Und ein komischer Abend.

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