"Die Simpsons": Parodie als Metakommentar
Die "Simpsons" feiern dieses Jahr ihr 30-jähriges Staffel-Jubiläum. Die 1989 erstmals ausgestrahlte Zeichentrickserie ist an Bekannt- und Beliebtheitsgrad kaum zu übertreffen, besonders Homer Simpson (seines Zeichens dick, gelb, dümmlich und gutherzig) gilt als Ikone der Fernsehgeschichte. Doch wer nicht immer die „hellste Kerze auf der Torte ist“ gerät schnell in Situationen, aus denen man sich lieber unauffällig verabschieden möchte.
Diffiziler Meta-Humor
In der GIF-Kultur wird „Homer Backs Into Bushes“ deswegen als digitale Reaktion auf ähnliche Situation verwendet, nun auch in der neuesten Folge „The Girl on the Bus“, die in kürzester Zeit mehrere tausend Reaktionen auf Twitter hervorrief: Als Homer sein Handy nicht finden kann, schreibt er seiner Tochter: „Lisa, I can’t find my Phone!”, die prompt antwortet: “You’re texting on it!?” Dann schickt Homer Lisa das besagte GIF. Diffiziler Meta-Humor, der das Internet im Sturm eroberte.
Ab durch die Hecke
Die Szene, in der Homer in der Gartenhecke verschwindet ist stolze 24 Jahre alt. In der am 17. März 1994 in den USA ausgestrahlten Episode „Homer loves Flanders“ ist Homer von einem ‚Nein‘ auf die Frage, ob sein Nachbar Ned Flanders und dessen Familie Zeit mit ihm verbringen möchten, so verunsichert, dass er einfach rückwärts in der Gartenhecke verschwindet, mit ihr verschmilzt. Ein, vielen sicher wohlbekanntes, Gefühl, vor Scham im Erdboden versinken zu wollen. Ein kommunikatives Mittel, mit dem wortlos auf einen Gefühlzustand verwiesen werden kann, mit dem sich beteiligte User in diesem Moment identifizieren. Unterhaltungen über und mit GIFs sind in den vergangenen Jahren zum alltäglichen Online-Phänomen geworden, dem sich nur schwer zu entziehen ist. Und weil die Macher der "Simpsons" bei ihren Zuschauern mit intelligentem Humor punkten, der oftmals als Kommentar auf zeitgenössische Themen funktioniert, muss Homer den Meta-Homer versenden.
Die vierte Wand
Homer, beziehungsweise seine Zeichner, durchbrechen damit die imaginäre "vierte Wand", die in der Theorie des Dramatikers Bertolt Brecht den Zuschauerraum vom Geschehen auf der Bühne trennt und in zwei autonome Sphären unterteilt. Durchbrochen wird sie durch eine Interaktion beider Seiten. Versendet Homer ein GIF, das nicht seiner, sondern unserer Sphäre angehört, wird die Wand durch die Thematisierung des Realitätsgehalts zerstört. Andere Twitter-User sehen auch Parallelen zu "Inception", dem Traumebenen-Blockbuster mit Leonardo DiCaprio, der gänzlich die Kohärenz von Traum und Realität infrage stellt, oder auch zur Fortsetzung von "Alice im Wunderland" ("Alice Through the Looking Glass").
Durch das Senden seines eigenen berühmten GIFs stellt Homer die filmische Gemachtheit, also die, durch das Medium der Zeichnung, bedingte Künstlichkeit der Serie aus. Jene ist bei einer Zeichentrickproduktion zwar offenkundig, wird aber in den seltensten Fällen inhaltlich kommentiert, wie etwa in diesem Fall. Die "Simpsons" behaupten damit ein Homers Bewusstsein darüber, dass er Teil eines ikonografisch aufgeladenen Pop-Phänomens ist, das in der digitalen Kommunikation eine etablierte Bedeutung inne hat. Er wird so quasi von Truman Burbank, dem unwissenden Hauptdarsteller einer Reality-Show in einer Verfilmung mit Jim Carrey, zur Truman-Show an sich.
Der auf die vierte Wand verweisende Kommentar fügt sich elegant in das Konzept der „Simpsons“, die gern unterschwellig gesellschaftskritisch arbeiten und mit dem Meta-GIF einen Verfremdungseffekt geschaffen haben, der Bertolt Brecht alle Ehre gemacht hätte. Ein solcher Effekt weist in der Theatertheorie auf situative Unstimmigkeiten hin und zerstört so die Illusion des Zuschauers. Nichts ist, wie es scheint. Zumindest wenn davon ausgegangen wird, dass Homer Simpson nicht um den Umstand seines Zeichentrick-Daseins weiß.
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