Im Video dazu werden Szenen aus guten Zeiten auf eine Leinwand projiziert, vor der Sanitäter, Ärztinnen, auch Polizisten jedweder Hautfarbe mit Gesichtsschutz posieren und diesen nach und nach abnehmen:
„Öffnen wir unsere Herzen / und lassen wir die ganze Welt herein / machen wir es besser / wenn das Leben wieder gut ist“, singt die 74-jährige Parton dazu.
Willkommen im „Dollyversum“, einer Welt der Hoffnung, Nostalgie und Sehnsucht, in der jede und jeder Platz hat. Sagen Sie nicht bloß „heile Welt“ dazu, sparen Sie sich die Abschätzigkeiten in Richtung Schlagerkitsch: In einer Zeit, in der die USA gespaltener sind als je zuvor und die Kontroversen um ihren Präsidenten sogar Familien zerreißen, gelingt es der Sängerin, Zusammenhalt zu stiften.
„Dolly ist jene einzigartige Figur in der amerikanischen Kultur, die wie niemand anderer sonst Gegensätze vereinen kann“, erklärt Nadine Hubbs, Genderforscherin aus Michigan, im äußerst hörenswerten Podcast „Dolly Parton’s America“, der Partons Strahlkraft auf den Grund geht.
Der jüngste Song ist dabei nur der letzte Glitzerstein in einer langen Kette von Liedern, Worten und Taten, mithilfe derer die 1946 in bitterarmen Verhältnissen in Tennessee geborene Sängerin zur Ikone aufstieg.
Ihre Lebensgeschichte erzählte Parton schon früh als Inspirationlehrstück – etwa wenn sie ihren von der Mutter aus Stoffresten genähten „Coat of Many Colours“ mit dem Gewand Josefs aus der Bibel verglich.
Partons überkandideltes Auftreten – es wurzelt der Legende nach in der Begegnung mit einer Prostituierten, die das junge Mädchen aus dem Hinterland schwer beeindruckte – ist auch ein Statement: „Teil meiner Magie, wenn ich denn welche besitze, ist, dass ich total künstlich aussehe und total echt bin“, sagte sie selbst.
Die Gewissheit, dass alles Maskerade, die eigene Person formbar und dabei nicht weniger echt und wertvoll ist, machte Parton zur Leitfigur von Identitätssuchenden, nicht zuletzt auch in der Queer-Gemeinde. Die Botschaft der Inklusion durchzieht Partons Werk – von Videos mit einer Trisomie-21-Aktivistin bis zu Vorlesestunden für bildungsferne Kinder, einem von Partons vielen Charity-Projekten.
Und doch ist da auch jene Dolly, die sich gottesfürchtig und konservativ gibt, Patriotismus predigt, den US-Truppen Respekt zollt. Eine ganze Episode von „Dolly Parton’s America“ widmet sich der Frage, wie Parton über Jahrzehnte politischen Positionsbekundungen auswich.
Als Jane Fonda, an deren Seite Parton im Film „9 to 5“ (1980) sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz thematisierte, bei einer Preisverleihung 2017 über Donald Trump herzog, konterte Parton mit Witzen über ihre Oberweite.
Im Podcast befindet Dollys eigene Schwester, es sei an der Zeit, dass sich der Star stärker deklariere. Doch Parton könnte damit im aufgeheizten US-Klima kaum etwas gewinnen. Also setzt sie auf Balance – bis zuletzt.
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