Die Schlinge - Von Pavel Kohout

Die Schlinge - Von Pavel Kohout
Pavel Kohut erzählt packend und in einfühlsamer Sprache davon, wie leicht jeder den Einflüsterungen der politischen Macht erliegen kann.

Pavel Kohout ist ein großer Geschichtenerzähler, der seine tiefgreifenden Plots mit politischer und sozialer Kritik auflädt. "Die Schlinge" – 2008 in Tschechien und ein Jahr später auf Deutsch erschienen – zeigt den Autor auf der Höhe seines Könnens: Das Buch spielt Ende der 1940er-Jahre in Prag und verwebt Polit-Thriller, Entwicklungsroman und eine Dreiecksgeschichte kunstvoll miteinander. Ein bedeutendes Buch, da es eindringlich zeigt, wie Politik und Gesellschaft das Leben jedes Einzelnen bestimmen.

Kohout erzählt die Geschichte zweier unterschiedlicher Männer und einer besonderen Frau. Da ist der junge Jan Soukup, überzeugter Kommunist und Schriftsteller – seine begeisterte Arbeiterlyrik macht ihn zum wichtigsten Dichter der neuen tschechischen Republik. Dort ist Felix Fischer, ein charismatischer Philosophieprofessor um die sechzig und führender Sozialdemokrat. Zwischen diesen beiden Männern steht die Schauspielerin Kamila: früher die Freundin Jans – bis sie einander in den Weltkriegswirren verloren – heute die Ehefrau von Felix. Bestimmt wird ihrer aller Leben durch die Politik: Die ČSSR unter ihrem Präsidenten Klement Gottwald – der im Roman nur als bedrohlicher Schatten auftaucht – schickt sich an zur Diktatur zu werden. Der neu entstandene Staatssicherheitsdienst wirbt Jan als Informant – geschmeichelt unterschreibt der Dichter die Beitrittserklärung. Sein Auftrag: Kontakt herstellen zu Felix Fischer, der als Chefpolitiker der Sozialdemokraten die Pläne der Kommunistischen Partei gefährdet. Jan soll ihn dazu drängen, aus der Tschechoslowakei zu flüchten, da dessen Leben bedroht sei. Jan glaubt, Jan folgt. Am Grenzübergang zu Österreich wird Felix verhaftet und als Flüchtling und Landesverräter vor Gericht gestellt. "Die Schlinge" zieht sich endgültig um Jans Hals zusammen, als er gegen Felix aussagen soll. Erst viel zu spät hat er die Intrigen der Staatssicherheit durchschaut – kann er Felix jetzt noch retten? Will er das überhaupt? Denn Kamila, mit jeder Premiere berühmter werdend, liebt ihren Mann Felix, aber auch immer noch Jan.

Autobiografische Elemente

Die Schlinge - Von Pavel Kohout
Ein Königreich für ein Bild!

Mühelos wechselt Pavel Kohut zwischen den Zeiten, fügt in Rückblenden die Hintergründe seiner Figuren ein: Felix auf dem Weg von der Philosophie zur Politik, Jan im Dresdner Bombenfeuer, Kamila, die jahrelang auf Nachricht vom verschollenen Dichter wartet. Diese Rückblicke sind derart kunstvoll in die Geschichte eingewoben, dass man sie kaum bemerkt. Das dramatische Tempo steigert sich von Kapitel zu Kapitel, die perfide Brutalität des Regimes geht bis zum bitteren Ende unter die Haut. Auf diese Souveränität angesprochen, antwortete Kohout in einem Interview ironisch: "Na ja, es ist schließlich mein 13. Roman, und ich müsste inzwischen gelernt haben, wie es geht."

Kohout, der im Juli 2012 seinen 84. Geburtstag feierte, weiß genau, wovon er in seiner "Schlinge" schreibt: Wie der Protagonist Jan studierte Kohout in seiner Geburtsstadt Prag Philosophie, trat in die Kommunistische Partei ein und arbeitete als Journalist. Als der Prager Frühling scheiterte, wurde Kohout 1969 aus der Partei ausgeschlossen und 1979 aus der Tschechoslowakei ausgebürgert. Mit "Die Schlinge" zieht er eine spannende Bilanz, die über jede Autobiografie hinausgeht und eindringlich klar macht, warum – und wie leicht – jeder den Einflüsterungen der politischen Macht erliegen kann. Darauf hinzuweisen ist, neben der einfühlsamen Sprache, eine der großen Leistungen dieses Romans.

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