Die Politik greift nach der Kunst

Die Politik greift nach der Kunst
Venedig will Klimts „Salome“ verkaufen: Kunst als Quelle für politisches Kapital ist nicht mehr tabu.

Wenn die großen Auktionshäuser die Highlights ihrer prestige- und umsatzträchtigsten Versteigerungen präsentieren, wird gern von historischer Bedeutung und Liebe zur Kunst schwadroniert.

Seit einiger Zeit aber folgt vermehrt das Echo politischer Debatten auf die blumigen Ankündigungen: Bei mehreren Hundert Millionen Euro, die bei einer einzigen Abendauktion bei Christie’s oder Sotheby’s umgesetzt werden, ist längst nicht mehr zu leugnen, dass es nicht nur um Kunst und Geld, sondern auch um politische Entscheidungen geht.

Venedigs Pläne

Während die Auktionshäuser derzeit auf die Aufmerksamkeit der Sammler-Elite abzielen, die sich kommende Woche in London zur Kunstmesse „Frieze“ versammelt, machte am Freitag die Meldung die Runde, dass die Stadt Venedig massive Verkäufe aus ihren Kunstbeständen plant: Gustav Klimts Meisterwerk „Judith II (Salome)“, das derzeit im Museo Ca’Pesaro in der Lagunenstadt hängt, soll etwa 70 Millionen Euro in die Kasse der Kommune spülen, berichtete die Zeitung Il Sole 24 Ore. Insgesamt will Bürgermeister Luigi Brugnaro 400 Millionen Euro aus Kunst lukrieren, um die Schuldenlast der Stadt einzudämmen.

Das Tabu, wonach Kunst nicht zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet werden darf, war bereits im Vorjahr erheblich ins Wanken geraten: Damals hatte Christie’s zuerst 85 Werke von Joan Miró aus einer Auktion entfernt, die aus dem Besitz einer verstaatlichten Bank stammten und vom Staat Portugal zur Auktion eingebracht worden waren. Nach Protesten und juristischen Auseinandersetzungen gelangten die Werke am Ende doch zur Versteigerung – sie waren nicht als nationales Kulturgut eingestuft worden. Ähnlich rechtfertigt nun auch Venedigs Bürgermeister den geplanten Verkauf von Klimts 1909 gemaltem Werk sowie weiteren Bildern, etwa von Marc Chagall: Bei venezianischen „Heiligen“ wie Tizian oder Tintoretto hätte er wohl mehr Protest zu befürchten.

Knackpunkt Kulturgut

Gerade die Frage, was denn nun „nationales Kulturgut“ ausmacht, geriet in Deutschland zuletzt zum Politikum. Einer der Auslöser war auch hier eine Auktion im Herbst 2014 gewesen: Der Verkauf von zwei großformatigen Werken Andy Warhols durch den zum Bundesland Nordrhein-Westfalen gehörenden Casinobetreiber „Westspiel“ brachte rund 120 Millionen Euro ein, sorgte aber für einen Aufschrei von Museumsleuten. Eine geplante Verschärfung von Ausfuhrgenehmigungen wurde wiederum von Händlern bekämpft.

Die Politik greift nach der Kunst
Vor dem Hintergrund solcher Debatten erscheinen auch die Highlights der Impressionismus-Auktionen bei Sotheby’s, die am Freitag in London präsentiert wurden, nicht ganz neutral: Das auf über 60 Millionen US-Dollar geschätzte Bild „La Gommeuse“ aus Pablo Picassos blauer Periode (1901)und ein Seerosen-Gemälde von Claude Monet (1908, Schätzwert 30-50 Mio. US-Dollar)stammen nämlich aus der Sammlung von William I. („Bill“) Koch.

Der Unternehmer ist der Bruder von David und Charles Koch, die massiv Initiativen finanzieren, die gegen die Politik von US-Präsident Obama auftreten und den Klimawandel negieren. Bill Koch ist den Brüdern nach jahrzehntelangem Rechtsstreit um das Familienerbe zwar nicht gerade freundlich verbunden und gilt politisch als gemäßigter – doch auch seine Energie-Firma zahlte laut Tampa Bay Times 3,7 Millionen US-Dollar, um im Kongress gegen Emissionsbegrenzungen zu lobbyieren. Was Mr. Koch nun mit dem Erlös seiner Bilder zu tun gedenkt, ist freilich nicht bekannt. Im letzten US-Präsidentschaftswahlkampf hatte er noch den Kandidate

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